Debatte

Datenhandel von Unternehmen: Denn wir wissen nicht, was sie tun

Daten sind das neue Öl: Große Wirtschaftsunternehmen sammeln persönliche Daten und verkaufen sie weiter. Viele Menschen reagieren darauf mit Ohnmacht, Gleichgültigkeit oder Resignation. Dabei gehen Datenhoheit und Datenschutz uns alle etwas an – vor allem, weil niemand kann sagen, wie viel die Unternehmen wirklich über uns wissen.
von Elke Jacob · 15. Juli 2015

Beinahe wöchentlich wird ein neues Kapitel im Abhörskandal um den US-amerikanischen Geheimdienst NSA aufgeschlagen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr VorVorgänger Helmut Kohl scheinen den Spionageattacken ebenso hilflos ausgeliefert zu sein wie die Abgeordneten des Bundestags und nicht zuletzt auch die Bürger. Doch während sich die Nation ein ums andere Mal über die Bespitzelungen unseres Bündnispartners ereifert, läuft die kommerzielle Nutzung unserer privaten Daten ungestört weiter.

Der Handel mit persönlichen Informationen hat sich mittlerweile zu einem milliardenschweren Geschäft entwickelt. „Die meisten Daten sammeln nicht NSA oder BND, sondern Google, Facebook und andere Unternehmen“, räumte Bundesjustizminister Heiko Maas unlängst in einem „Vorwärts“-Interview ein.

Freemium-Produkte sind nur scheinbar umsonst

Die persönlichen Daten, die wir bei jedem Schritt und Klick in der analogen wie auch digitalen Welt hinterlassen, sind für werbungtreibende Wirtschaftsunternehmen das Öl des 21. Jahrhunderts. Daher sind Internetgiganten wie Amazon, Facebook und Google zwar die größten, aber längst nicht einzigen Nutznießer dieses Big-Data-Booms. Ihre so genannten „Freemium-Produkte“ sind nur scheinbar umsonst, denn mit jedem „Like“ und jeder Suchworteingabe bezahlen die Nutzer mit ihren Daten, die sie dabei offenbaren.

In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) weisen die Internetriesen zwar darauf hin, dass Daten weitergegeben – also verkauft werden. Wer, wann und vor allem welche Daten kauft und was dann weiter mit diesen Informationen geschieht, darüber kann der Verbraucher nur spekulieren. Wenn er sich überhaupt für dieses Thema interessiert, denn wie bei der staatlich verordneten Vorratsdatenspeicherung fügen sich viele auch bei der kommerziellen Ausbeutung ihrer persönlichen Informationen in ein scheinbar unausweichliches Schicksal.

Vorlieben der Zielgruppe bestmöglich bedienen

Ohnmacht, Gleichgültigkeit und Resignation machen sich breit, wenn von Datenhoheit die Rede ist. Viele sagen zunächst, sie seien doch fein raus, da sie kein Profil auf Facebook hätten. Aber dem ist nicht so! Es ist völlig unerheblich, ob wir uns in der realen analogen oder der virtuellen digitalen Welt bewegen: Überall hinterlassen wir permanent unsere digitalen Fußabdrücke.

Allein durch das Mitführen eines Smartphone kann zum Beispiel jederzeit der Standort ermittelt werden. Durch eingeschleuste kleine Computerprogramme – sogenannte Cookies – werden wiederum Nutzer beim Einloggen auf einer Webseite wiedererkannt oder zum Beispiel beim Bummeln durch eine Geschäftstraße „getrackt“, also ermittelt. Firmen, die diese Tracking-Methoden nutzen, kaufen bei unterschiedlichen Anbietern weitere Daten hinzu und verdichten sie zu Profilen, um die Interessen und Vorlieben ihrer Zielgruppen bestmöglich bedienen zu können.

Es kann also sein, dass schon beim Betreten eines Ladens ein Sonderangebot für ein Hemd auf dem Smartphone landet, welches man sich einen Tag vorher im Internetshop angesehen hat.

Das digitale Profil wird täglich ergänzt

Das alles scheint auf den ersten Blick sogar recht praktisch und spart obendrein noch Geld. Die Frage, die sich dabei stellt, ist jedoch: Was wissen die Firmen denn noch alles über mich? Insbesondere, wenn es um so hochsensible Daten wie über unsere Gesundheit, Finanzen oder Familie geht? Und ist das digitale Profil, das jeden Tag durch weitere Daten ergänzt wird, überhaupt korrekt? Oder enthält dieses Datenpaket, das in vielen Belangen des privaten und beruflichen Lebens bereits meine Identität ausmacht, sogar fehlerhafte Informationen, die sich negativ auswirken können? Diese Fragen kann derzeit niemand beantworten.

Doch wie soll unsere digitale Zukunft aussehen? In Brüssel wird seit Juni über die neue EU-Datenschutzgrundverordnung beraten, womit sich für Europa die einmalige Gelegenheit ergibt, die Interessen der Bürger in das Zentrum einer modernen digitalen Gesellschaft zu stellen. „Wir müssen wissen, was sie über uns wissen“, schreibt Hannes Grassegger in seinem Buch „Das Kapital bin ich“. Deshalb fordert die Initiative Free Your Data, die von dem Mitbegründer des Hamburger Start-ups „Protonet“, Ali Jelveh, lanciert wurde, ein neues EU-weites Gesetz.

Durch eine gesetzlich verankerte Bürgerschnittstelle soll den Bürgern die Hoheit über ihre Daten wieder zurückgegeben werden. Diese sogenannte API (Application Programming Interface) sollen alle Unternehmen mit mehr als einer Million wiederkehrenden Usern standardmäßig einführen. Über eine App kann der Kunde dann ohne zeitliche Verzögerung auf seinem Smartphone sehen, welche Daten das Modegeschäft gerade über ihn einsammelt, dessen Hemd ihm eigentlich ganz gut gefällt.

Autor*in
Elke Jacob

Die Diplom-Biologin lebt und arbeitet seit über 20 Jahren als freie Journalistin in Hamburg. Sie hat für die Branchenblätter „Horizont“ und „werben & verkaufen“ gearbeitet. Seit März leitet sie die Kampagne Free Your Data, die in Kürze an einen gleichnamigen Verein übertragen wird. Der Verein befindet sich in Gründung.

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