Debatte

Darum gibt es zum Bedingungslosen Grundeinkommen keine Alternative

Susanne Wiest richtete 2009 eine Petition an den Bundestag, in der sie die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens vorschlug. Über 50.000 Unterstützer unterschrieben die Petition. Im Bundestag stieß sie auf viel Skepsis. Und auf überraschend unvorbereitete Abgeordnete.
von Susanne Wiest · 12. Mai 2016
Gibt es noch eine Alternative zum Grundeinkommen, wenn wir keine Vollbeschäftigung mehr erreichen?
Gibt es noch eine Alternative zum Grundeinkommen, wenn wir keine Vollbeschäftigung mehr erreichen?

2006 stieß ich im Internet auf die mich zunächst irritierende Frage „Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre?“. So entdeckte ich die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens: Jede und Jeder erhält bedingungslos ein Basiseinkommen in Existenz sichernder Höhe, das erlaubt, an Gesellschaft und kulturellem Leben teilzunehmen.

Vom Ende der Vollbeschäftigung

Die Idee erschien mir schlüssig und als geradezu überfällig. Denn bislang hörte von Politikern oft nur den Satz: „Wir müssen wieder Vollbeschäftigung erreichen“. Wieder Vollbeschäftigung erreichen? Wieder? Wo doch die allgemein akzeptierte und von Politikern geförderte Entwicklung mit Volldampf in Richtung Automatisierung und Rationalisierung steuert und die daraus resultierenden Erscheinungen wie Zeitarbeit, Minijobs und Erwerbsarbeitslosigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung zunehmend Einkommensmangel verursachen?

Immer mehr Menschen können angebotene Güter und Dienstleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen, weil das Geld fehlt, um sie sich leisten zu können. Die Kaufkraft schwindet, Wirtschaftskreisläufe geraten ins Stocken. Das alles konnte ich in meinem Lebensumfeld beobachten.

2008 wurde eine steuerliche Veränderung für meine Berufsgruppe der Tagesmütter und -väter angekündigt. Es drohte weniger Geld für die sowieso schon unterbezahlte Arbeit. Ich suchte das Gespräch mit den politisch Verantwortlichen. Die Antworten auf meine Fragen blieben vage. Eine Mitarbeiterin, die meine Unzufriedenheit bemerkte, riet mir: „Sie können ja eine Petition stellen. Das geht jetzt auch online“.

Petition zum Grundeinkommen gestellt

Auf der Petitionsseite des Bundestages stieß ich auf viele Petitionen, die um Verbesserungen baten: „die Bundesagentur für Arbeit möge bitte umsonst angerufen werden können“ oder “die Zeiten der Kindererziehung bei der Rente mögen anerkannt werden“. Als ich mein persönliches Tagesmutteranliegen dort einstellen wollte, fiel mir die gute Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens wieder ein.

Hatten die Parlamentarier im Bundestag schon davon gehört? Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen wäre doch allen geholfen, damit hätten doch alle Bürgerinnen und Bürger eine sichere und zuverlässige Basis, aus der heraus das eigene Leben gestaltet werden kann.

Ich stellte eine zweite Petition: „Der Bundestag möge beschließen, das Bedingungslose Grundeinkommen einzuführen“. Zu meiner großen Überraschung unterzeichneten innerhalb kurzer Zeit so viele Menschen diese Petition, dass der Server des Bundestages zusammenbrach. Über 52.000. Auf soviel Demokratie war man nicht vorbereitet.

Arbeit ist mehr als bezahlte Erwerbsarbeit

Ende 2010 kam es dann zur Anhörung vor dem Petitionsausschuss des Bundestags. Einige Abgeordnete erschienen mir überraschend unvorbereitet. Einer musste gar nachschlagen, wie das denn heiße, was hier gerade verhandelt wird. Ein anderer Abgeordneter kritisierte die von mir vorgeschlagene Höhe des Grundeinkommens von 1500 Euro für Erwachsene und 1000 Euro für Kinder. Wie ich denn auf diese Zahlen käme?, fragte er.

Ich erklärte, das sei der Betrag, mit dem ich mich in der Gesellschaft sicher und handlungsfähig fühle und den ich zur Diskussion stelle. Natürlich bedarf es einer breiten gesamtgesellschaftlichen Diskussion, ob wir ein Grundeinkommen als Basissicherung für uns alle einführen wollen, und wenn ja in welcher Höhe.

Wie wollen wir zusammen leben? Wollen wir weiter einer nicht mehr zu erreichenden Vollbeschäftigung im klassischen Sinne hinterherlaufen oder innehalten und feststellen, dass Arbeit weit mehr ist als bezahlte Erwerbsarbeit und wir, abgesichert durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen, ohne Bevormundung und Reglementierung, endlich das unternehmen können, was jedem und jeder als wichtig erscheint?

Autor*in
Susanne Wiest

stellte im Jahr 2009 eine Petition an den Deutschen Bundestag, in der sie die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens vorschlug.

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