Debatte

Da ist noch mehr drin!

Von rechtlicher Gleichstellung und moderner Familienpolitik ist auch die neue Bundesregierung noch weit von entfernt, findet Ansgar Dittmar. Der Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos) fordert: Die SPD darf die Augen vor der täglichen Diskriminierung von Regenbogenfamilien nicht verschließen!
von Ansgar Dittmar · 28. Januar 2015

Viele Paare wünschen sich, eine Familie sein zu können. Das gilt für hetero wie für lesbische und schwule Paare gleichermaßen. Ein zentraler Schritt, das gemeinsame Leben hierfür auch rechtlich absichern zu können, war 2001 die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Gegen heftigste Widerstände der Konservativen wurde dieses neue familienrechtliche Institut von der damaligen rot-grünen Bundesregierung durchgesetzt.

Waren wir vor 14 Jahren noch überaus fortschrittlich, so sind heute viele andere Länder an Deutschland vorbei gezogen, was die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren betrifft. Moderne Familienpolitik bedeutet auch, die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen abschließend zu regeln – und davon ist die neue Bundesregierung noch weit von entfernt.

Blockadehaltung der Union

Woran liegt das? Vor allem daran, dass die Union diese Frage zu ihrem politischen Kulturkampf erhoben hat und auf eher irrationale, höchst vorurteilsbehaftete Argumente abstellt. Während sich nach einer FORSA Umfrage 65 Prozent der Deutschen für die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben und das volle Adoptionsrecht aussprechen1, blockiert die Union.

Trotz der Vereinbarung im Koalitionsvertrag2 werden Lebenspartnerschaften weiterhin rechtlich benachteiligt – vor allem im Adoptionsrecht. Dass es der Union hier nicht um das Kindeswohl geht, versuchen sie gar nicht erst zu verschleiern. Kann es auch nicht: Alle Studien zeigen, dass Kinder vor allem vertrauensvolle und fürsorgliche Erziehungsberechtigte brauchen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob das Papa und Mama, Mama und Mami, oder Papa und Papi sind.

Zwar konnte die SPD dank der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchsetzen, dass das sogenannte Sukzessivadoptionsrecht umgesetzt wurde. Damit ist erstmals eine Folgeadoption von Kindern möglich, die zuvor von einem Lebenspartner angenommen worden waren. Auch ist unter Umständen die Einzeladoption für eine lesbische Frau, einen schwulen Mann möglich. Eine gemeinsame Adoption eines verpartnerten Paares bleibt weiterhin verboten.

Von der alltäglichen Diskriminierung

Dabei sind Regenbogenfamilien im Alltag nicht Besonderes. Egal ob eigene oder adoptierte Kinder – es gibt immer mehr gleichgeschlechtliche Eltern, die neben  der alltäglichen Diskriminierung auch mit der juristischen Ungleichbehandlung leben müssen. Alles muss erklärt werden, im Freundes- und Bekanntenkreis, im Kindergarten oder in der Schule.

Wer sind denn nun die „wirklichen Eltern“, wie nennt das Kind die Eltern? Es sind die alltäglichen Begegnungen beim Einkauf an der Supermarktkasse. Es sind aber immer wieder auch die Institutionen, öffentliche Einrichtungen oder Formulare, die Regenbogenfamilien nicht vorsehen. Diese täglichen Diskriminierungen wollen die Eltern ihren Kindern ersparen, so dass Regenbogeneltern im ständigen Spagat leben zwischen Schutz und Abwehr.

Wir sprechen gerne von der Sandwichgeneration und der gehetzten Generation. Dies gilt besonders für Regenbogeneltern, die zusätzlich darauf Acht geben müssen, ihren Kindern die eigene Lebenssituation zu erklären und Benachteiligungen abzuwehren.

Lasst Taten sprechen!

An der Beseitigung dieser Benachteiligungen müssen wir als aufgeklärte Gesellschaft gemeinsam arbeiten. Und für die Bundesregierung heißt es, endlich Taten im Sinne des Koalitionsvertrages folgen zu lassen. CDU und CSU müssen ihren ideologischen Widerstand aufgeben. Es ist gut, dass Manuel Schwesig sich trotz des Widerstands beim „Elterngeld plus“ durchsetzen konnte. Lebenspartner sind hier jetzt mit einbezogen . Es kann aber nicht sein, dass jede noch so kleine positive Veränderung für Regenbogenfamilien einen solchen Kampf bedeutet. Hier müssen wir die Union und ihre Intoleranz demaskieren.

Wenn wir als SPD eine moderne Familienpolitik betreiben wollen, müssen wir auch Regenbogenfamilien stärken, Aufklärungsarbeit fördern und die Öffnung der Ehe vorantreiben. In unseren Programmen steht es schon, jetzt müssen wir das in der Regierungspraxis durchsetzen – und die Union überzeugen, ihre vorurteilsgesteuerte Blockade aufzugeben. Da ist noch mehr drin!

________________________________________________________________________

1 FORSA Studie „Wie tolerant ist Deutschland“ im Auftrag von RTL, veröffentlicht im Januar 2014, Die Studie ist bislang nicht veröffentlicht worden, sie wurde von RTL bei forsa in Auftrag gegeben und kann nur darüber bezogen werden.

2 Im Koalitionsvertrag (S.105) heißt es „Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen. Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen“.

Schlagwörter
Autor*in
Avatar
Ansgar Dittmar

 (*1971) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie ehrenamtlicher Kreisvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt am Main. Er war von 2008 bis 2016 Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos). Die Arbeitsgemeinschaft hat sich 2016 umbenannt und heißt jetzt: Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung (SPDQueer).

0 Kommentare
Noch keine Kommentare