Debatte

Allgemeinverbindliche Tarife für die Pflege!

Dass die Jobs in der Pflege hart und überwiegend schlecht bezahlt sind, ist eine traurige, aber längst keine unumstößliche Wahrheit. Gerechte Löhne kann und muss es auch in der Pflege geben.
von Wolfgang Stadler · 20. Juni 2018

Die Lösung für eine bessere und damit auch gerechtere Bezahlung in der Altenpflege liegt in tariflichen Lösungen. Dementsprechend hat der Koalitionsvertrag der Bundesregierung hohe Erwartungen geweckt. Denn hier heißt es, man wolle gemeinsam mit den Tarifpartnern dafür sorgen, „dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen". Ziel sei es, Löhne sowie Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Bundesregierung kann dafür die Grundlage schaffen, indem sie auf der Seite der Tarifpartner die Voraussetzungen für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflegebranche erwirkt.

Nicht nur heiße Luft

Insgesamt hat das Thema Pflege endlich Konjunktur gewonnen. Alle Parteien nehmen sich in einer bisher nicht gekannten Deutlichkeit und Konsequenz des Themas an, nach dem Grundsatz: Eine Gesellschaft muss sich auch daran messen lassen, was sie bereit ist, für die Pflege ihrer älteren Menschen auszugeben. Es bleibt zu hoffen, dass hier nicht nur heiße Luft produziert wird.

Schon die von der Bundesregierung als erste Sofortmaßnahme angekündigten 8.000 neuen Stellen in Pflegeheimen – zugegebenermaßen bei dem herrschenden Fachkräftemangel nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind - waren ein erstes Signal für ein Umdenken bei den politischen Entscheidungsträgern.

Bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne

Ganz oben auf der Agenda müssen nun bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung der Pflegefachkräfte stehen. Nur so lässt sich der Fachkräftemangel in der Pflege bekämpfen. Einmalige Geldgeschenke, wie kürzlich vom neuen Pflegebeauftragten der Bundesregierung vorgeschlagen, hätten nur einen kurzfristigen Effekt. Zudem wären solche Prämien ein demotivierendes Signal für diejenigen, die den Beruf seit Jahren zuverlässig ausüben. Ihre Arbeit würde damit weniger wertgeschätzt.

Eine allgemeinverbindliche tarifliche Bezahlung in der Pflege würde endlich mehr Gerechtigkeit schaffen - auch innerhalb der Einrichtungen, weil sie für alle Lohn- und Gehaltsgruppen gelten würde. Die gewinnorientierten Pflegeanbieter beispielsweise bezahlen teilweise ihre Führungskräfte sehr gut, sparen aber bei den Pflege- und Hilfskräften.

Fairer Wettbewerb

Auf Initiative der AWO haben alle Verbände der Freien Wohlfahrtspflege zusammen mit der Gewerkschaft ver.di in einem gemeinsamen Brief die Koalition aufgefordert, eine Lösung zu finden, um die Rahmenbedingungen für die Pflegekräfte zu verbessern und dem teilweise ruinösen Wettbewerb Einhalt zu gebieten. Es ging und geht den unterzeichnenden Organisationen darum, die Pflegeberufe aufzuwerten und damit die Rahmenbedingungen für die zu Pflegenden zu verbessern.

Dabei müssen die unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Grundlagen bei kirchlichen und freien Trägern grundsätzlich berücksichtigt werden. Ziel muss ein fairer Wettbewerb in der Pflege sein.

Allgemeinverbindliche Tarife

Die Politik muss  Rahmenbedingungen so gestalten, dass die zwischen kirchlichen und weltlichen, gemeinnützigen Anbietern abgestimmten Tarifabschlüsse, die in ihren Systemen verhandelt wurden, zusammen für die Anerkennung der Allgemeinverbindlichkeit zur Grundlage gemacht werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Arbeitgeberverbände, in denen in der Regel nur die gewerblichen Pflegeanbieter organisiert sind, die Anerkennung der Allgemeinverbindlichkeit nicht weiter durch eine Patt-Situation im Tarifausschuss blockieren können.

Gegenüber allgemeinverbindlichen Tarifverträgen gab es in der Politik lange eine reservierte Haltung - weil die dringend notwendige bessere Bezahlung der Pflegekräfte für Kostensteigerungen sorgen wird. Deshalb muss auch für eine angemessene Refinanzierung gesorgt werden. Am Ende müssen die Pflegekassen einen entsprechend höheren Beitrag zu den Pflegekosten leisten. Die Bundesregierung und die große Koalition darf die Pflegebedürftigen nicht mit den höheren Kosten allein lassen.

Autor*in
Wolfgang Stadler
Wolfgang Stadler

ist Diplom-Soziologe und arbeitet seit 1978 bei der AWO. Seit 2010 ist er Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt und Geschäftsführer der ElternService AWO GmbH.

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