Wie Rechte versuchen, die Energiekrise auszunutzen
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Der „Sturm auf den Reichstag“ im Sommer 2020, Fackelmärsche vor den Privatwohnungen von Politiker*innen oder auch sogenannte Spaziergänge mit Beteiligung Rechtsextremer. Die Feind*innen der Demokratie präsentieren sich in Deutschland zunehmend selbstbewusst und erreichen mehr Menschen denn je. Dieses Ergebnis zeigt eine 20-seitige Analyse der Amadeu-Antonio-Stiftung über das Querdenken-Milieu als „antidemokratische Kampagnenmaschine“, die die Stiftung am Freitag in einem Pressegespräch vorstellte.
Besonders deutlich zeige sich dies in Sachsen, erläutert Benjamin Winkler, der das Büro der Stiftung in Sachsen verantwortet. Im Freistaat gebe es inzwischen in fast allen Orten rechte Spaziergänge. Zentraler Akteur dabei seien die „Freien Sachsen“, eine Anfang 2021 gegründete rechte Gruppierung, die zunächst vor allem gegen die damals geltenden Corona-Maßnahmen protestierte. Inzwischen falle sie zunehmend durch Bedrohungen von lokalen Politiker*innen auf. Zugleich gebe es bei Teilen der Freien Sachsen die „irre Phantasie des Säxit“, sprich des Austritts Sachsens aus der Bundesrepublik.
„In Wirklichkeit sind ihnen die Gaspreise egal“
In Sachsen gebe es ebenso wie in Thüringen besonders stark ausgeprägte demokratiefeindliche Einstellungen. Nicht selten trete laut der Analyse bei den Demonstrationen auch die offene Feindschaft zur liberalen, pluralistischen Demokratie zutage. Nach rechtspopulistischer Manier inszenierten sich Organisator*innen und Teilnehmende dabei selbst als die „letzten” bzw. „wahren” Demokrat*innen und Beschützer*innen des Grundgesetzes. Die Amadeu-Antonio-Stiftung kommt daher zu dem Schluss, dass die Proteste als Türöffner zum Rechtsextremismus dienten und den gesellschaftlichen Nährboden bereiteten, auf dem die rechtsterroristische Gefahr wachse.
Dabei sei die thematische Ausrichtung inzwischen verändert. Statt der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung stünden nun der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise in Deutschland im Fokus. Das Schüren von Ängsten vor Blackouts, steigenden Energiekosten und Armut gehöre zum Standardrepertoire der extremen Rechten und des Verschwörungsmilieus. Timo Reinfrank, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung, mahnt daher: „Es ist entscheidend, die rechte Szene als strategischen Akteur zu begreifen. In Wirklichkeit sind ihnen die Gaspreise egal. Sie versuchen nur, das Thema für sich zu nutzen.“
Rechten Gruppierungen Wind aus den Segeln nehmen
Er fordert von der Bundesregierung, weitere Entlastungen zügig auf den Weg zu bringen, um den rechten Gruppierungen so den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Die Bundesregierung muss es schnell machen. Denn je länger es dauert, desto größer sind die Geländegewinne rechter Gruppen“, sagt Reinfrank. Der Staat müsse angesichts der antidemokratischen Bedrohung klug handeln. Dazu zählt er Investitionen in Bildung und Forschung ebenso wie die konsequente Verfolgung von Straftaten und die Ausgrenzung von Antidemokrat*innen.
Denn andernfalls drohe in Deutschland eine Gelbwesten-Bewegung nach französischem Vorbild. „Das Milieu rund um `Querdenken` ist bestens darauf vorbereitet und wird seine Ausrichtung und Narrative schnell anpassen, um weiterhin möglichst viele Menschen zu mobilisieren“, heißt es dazu in der Analyse der Stiftung.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo