BNR

Wie ein SPD-Abgeordneter Willy Brandt vor der AfD beschützt

In einem Antrag zur direkten Demokratie berief sich die AfD im Bundestag am Freitag auf Willy Brandt und sein Versprechen „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Da platzte dem SPD-Abgeordneten Lars Castellucci der Kragen.
von Kai Doering · 27. Februar 2021
Sie wollen ein Instrument der Aufhetzung: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci (Archivbild) griff die AfD scharf an.
Sie wollen ein Instrument der Aufhetzung: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci (Archivbild) griff die AfD scharf an.

Es ist ein legendärer Satz. In seiner Regierungserklärung am 28. Oktober 1969 kündigte der neu gewählte Bundeskanzler Willy Brandt an: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Der SPD-Politiker umriss damit nicht nur sein politisches Programm, sondern versprach auch einen Bruch mit der Ära Adenauer, ausgedrückt durch mehr (betriebliche) Mitbestimmung, aber auch mehr Verantwortung der Bürger*innen.

„Ich weise diese Vereinnahmung auf das Schärfste zurück.“

Dass sich mehr als 50 Jahre später eine in Teilen rechtsextreme Partei auf ihn berufen würde, hätte Willy Brandt sich sicher nicht vorstellen können. In einem Bundestagsantrag zur „Einführung der Direkten Demokratie auf Bundesebene“ geschah am Freitag genau das. Die AfD-Fraktion schreibt darin, Brandts Forderung aus den „70er Jahren (sic!), man solle ‚mehr Demokratie wagen‘, blieb leider ohne jegliche konkrete Schlussfolgerung“.

Als der Antrag am Freitag im Bundestag debattiert wurde, platzte dem SPD-Abgeordneten Lars Castellucci der Kragen. „Ich finde das infam und ich weise diese Vereinnahmung auf das Schärfste zurück“, sagte Castellucci an die AfD-Fraktion gewandt. „Willy Brandt ging es 1969 in seiner Regierungserklärung darum, die Menschen zur Mitverantwortung zu gewinnen“, klärte er auf. „Es ging um ein Miteinander. Sie hingegen wollen diese Instrumente (der direkten Demokratie Anm.d.Red.) als Instrument der Aufhetzung und das lehnen wir mit allem Nachdruck ab.“

„Der AfD zu folgen, hätte fatale Auswirkungen für unsere Demokratie.“

Die AfD hatte sich bereits in der Vergangenheit für mehr Möglichkeiten direkter Einflussnahme wie Volksentscheide auf Bundesebene stark gemacht. Was zunächst gut klingt, entspringt dabei einem klaren Kalkül: Zum einen versucht die AfD so, den Vorwurf zu widerlegen, ein Problem mit der Demokratie zu haben. Zum anderen kann sie Feindbilder vieler ihrer Wähler bedienen.

Bei näherem Hinsehen wird jedoch schnell klar, was die AfD unter „mehr Demokratie“ versteht. So erklärte der Verein Mehr Demokratie e.V. zu einem ähnlichen Antrag aus dem Jahr 2019: „Der AfD zu folgen, hätte fatale Auswirkungen für unsere Demokratie, würde Menschen- und Minderheitenrechte in Frage stellen und das Parlament unterlaufen.“ Bereits im Landtagswahlkampf 2019 in Brandenburg hatte die AfD mit Willy Brandt und dem Satz „Mehr Demokratie wagen“ geworben und war dafür scharf kritisiert worden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare