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Wie die AfD das Parlament als Bühne benutzt

Die Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges und Gerd Wiegel werfen einen kritischen Blick auf die parlamentarischen Aktivitäten der AfD – und ziehen eine Zwischenbilanz nach knapp einem Jahr der AfD-Präsenz im Bundestag.
von Armin Pfahl-Traughber · 11. Oktober 2018
Lesenswert: Die Zwischenbilanz nach knapp einem Jahr AfD im Bundestag
Lesenswert: Die Zwischenbilanz nach knapp einem Jahr AfD im Bundestag

Mittlerweile ist die „Alternative für Deutschland“ (AfD) nicht nur im Bundestag, sondern auch in den meisten Landtagen vertreten. Doch was macht die Partei dort überhaupt? Wie sieht ihre parlamentarische Arbeit aus? Beschäftigt man sich intensiv mit Sachfragen oder nutzt man das Parlament zur Propagandabühne? Und welche Absichten verbinden sich mit dieser Parlamentstätigkeit? Diese und andere Fragen wollen die drei Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges und Gerd Wiegel beantworten. Die ersten beiden lehrten beziehungsweise lehren Politikwissenschaft an der Universität Köln, Wiegel ist Referent bei der Partei „Die Linke“ im Bundestag. Ihr gemeinsames Buch hat den Titel „Rechtspopulisten im Parlament. Polemik, Agitation und Propaganda der AfD“. Darin soll eine Art Zwischenbilanz nach knapp einem Jahr der AfD-Präsenz im Bundestag und zwar hinsichtlich der Anfragen, Anträge und Gesetzesinitiativen gezogen werden. Insofern beziehen sich die meisten Aussagen auf diesen Zeitraum bis zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause 2018.

„Eine völkische Partei mit neoliberalen Segmenten“

Eingangs stehen in dem Band Ausführungen zur Definition von Populismus und zur Frage nach den Ursachen für die Erfolge des Rechtspopulismus. Dabei werden sowohl inhaltlich begründete Typologien geliefert wie ein Erklärungsmodell mit der Kombination unterschiedlicher Ebenen präsentiert.  Anschließend findet sich eine kurze Geschichte der AfD, die in verschiedene Entwicklungsphasen eingeteilt wird. Bilanzierend heißt es von den Autoren: „Unverkennbar hat die AfD seit ihrer Gründung 2013 mehrfach Metamorphosen durchgemacht, die aus einer nationalliberalen bzw. –konservativen Partei mit völkisch-nationalistischem Flügel eine völkische Partei mit neoliberalen Segmenten gemacht haben“ (S. 43). Danach geht es um die Erfolge bei Wahlen und die damit verbundenen Einzüge der AfD in die Länderparlamente und in den Bundestag. Butterwegge, Hentges und Wiegel machen hier deutlich, dass dadurch eben jeweils ein besonderer Machtfaktor entstand, was sowohl mit den finanziellen Ressourcen wie mit den medialen Zugängen verbunden war.

„Vorhandene Unsicherheitsgefühle in der Bevölkerung gezielt verstärken“

Im Zentrum des Buchs steht dann anschließend die inhaltliche Orientierung der Parlamentsarbeit der AfD. In einem ausführlichen Kapitel stellen die Politikwissenschaftler die Aktivitäten zu bestimmten politischen Themen dar und schätzen diese ein. Dazu gehört insbesondere die Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik aber auch die Innere Sicherheit und Demografie, weniger indessen die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Hierbei wird deutlich, wie sehr die AfD etwa Anfragen zur Flüchtlingspolitik nutzt, um mit deren Antworten inhaltliches Material für das Schüren von Stimmungen zu finden. Die Autoren des Bands zeigen dabei auch klar auf, wie damit einhergehende Fragen mit der Sozialpolitik oder anderen Themen verknüpft werden. So heißt es etwa: „Ziel der AfD-Politik im Bereich der Innenpolitik ist es augenscheinlich, vorhandene Unsicherheitsgefühle in der Bevölkerung gezielt zu verstärken und sie gegen Geflüchtete und Ausländer/innen zu wenden“ (S. 93). Butterwegge, Hentges und Wiegel machen bei all dem aber auch Widersprüche aus, gerade in der Sozialpolitik, gibt es doch einen sozialpolitischen und wirtschaftsliberalen Flügel mit eigentlich unvereinbaren Positionen.

Themen werden für parteipolitische Zielsetzungen instrumentalisiert

Das Versprechen der Buchautoren, hier einen kritischen Zwischenstand nach knapp einem Jahr der AfD-Parlamentsarbeit im Bundestag vorzulegen, wurde erfüllt. Anschaulich belegen sie, wie die Abgeordneten der AfD bestimmte Themen aufgreifen und sie für parteipolitische Zielsetzungen instrumentalisieren. Es wird darüber hinaus deutlich, „dass es der AfD letztlich um einen prinzipiellen Bruch mit zentralen Werten des Grundgesetzes geht“ (S. 213). Besonders beachtenswert sind die Ausführungen der Wissenschaftler zur Sozialpolitik der AfD, die ja einen gewichtigen Anteil der Wählerschaft angeht: „Hier klaffen der Anspruch, unterprivilegierte Bevölkerungsschichten zu vertreten, und die Wirklichkeit der AfD-Parlamentspraxis, Politik für besonders Privilegierten zu machen, meilenweit auseinander“ (S. 216). Insofern liefert der Band auch Anregungen zu Gegenstrategien und nicht nur Analysen zur Parlamentsarbeit im engeren Sinne. Lediglich die Ausführungen zum Populismusverständnis wirken demgegenüber etwas schief, aber das ist auch nicht das Thema dieses lesenswerten und informativen Bandes.

Christoph Butterwegge/Gudrun Hentges/Gerd Wiegel, Rechtspopulisten im Parlament. Polemik, Agitation und Propaganda der AfD, Frankfurt/M. 2018 (Westend-Verlag), 255 Seiten, 20 Euro.

Hinweis: Am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse (Halle 3.0, Stand B153) wird am Samstag, 13. Oktober um 14.30 Uhr das Buch „Rechtspopulisten im Parlament. Polemik, Agitation und Propaganda der AfD“ vorgestellt. Der Politikwissenschaftler und Mitautor Christoph Butterwegge diskutiert darüber mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Rita Hagl-Kehl.

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Armin Pfahl-Traughber

Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Soziologe, ist hauptamtlich Lehrender an der Hochschule des Bundes in Brühl.

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