Wie Bundesliga-Trainer Christian Streich mit rechten Hetzern abrechnet
Christian Streich ist Trainer des Fußball-Erstligisten SC Freiburg – und für seine emotionalen Ausbrüche an der Seitenlinie bekannt. Dass Streich ein eher nachdenklicher Typ ist, hat er am Donnerstag bei der Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel gegen Darmstadt bewiesen.
Statement für Toleranz und gegen rechte Hetzer
Zunächst ging es eine halbe Stunde um Aufstellung und Taktik für Streichs Mannschaft am Wochenende. Dann wollte einer der Sportjournalisten die Meinung des Trainers zu den Reaktionen auf die Verhaftung eines afghanischen Flüchtlings wissen. Der Hintergrund: Mitte Oktober war eine Studentin in Freiburg erst vergewaltigt und anschließend ermordet worden. Vor einigen Tagen hatte die Polizei einen 17-jährigen Afghanen als mutmaßlichen Täter verhaftet. Seitdem rollt eine Welle des Hasses gegen Flüchtlinge durchs Internet.
„Die Generalverurteilung von Menschen gibt es so lange wie es Menschen gibt“, antwortete Christian Streich nach einigen Sekunden Denkpause – um dann zu einem beeindruckenden Statement für Toleranz und gegen rechte Hetzer anzusetzen. „Wir kennen das aus unserem Land“, erinnert Streich an die Verfolgung der Juden zwischen 1933 und 1945. „Damals war es einer religiösen Zugehörigkeit geschuldet.“ Jetzt komme ein Täter aus Afghanistan: „Dann sind es eben jetzt die Afghanen, oder die Ausländer – das ist der Mechanismus, der bei Menschen passiert.“
Streich: „Man muss große Angst haben“
Die Vorgänge der vergangenen Tage mit Diffamierungen der Familie der ermordeten Studentin und Morddrohungen gegen Flüchtlinge stimmen den Fußballlehrer sehr pessimistisch. „Man muss große Angst haben“, sagte er unter dem ernsten Blick seines Pressesprechers. Die sonst eher lockere Stimmung bei Fußball-Pressekonferenzen ist eisig, außer dem Husten einiger Journalisten ist in dem Video nichts zu hören.
Holger Arppe, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, geht Christian Streich direkt an – allerdings ohne seinen Namen zu nennen. Arppe hatte auf Twitter dem Vater der ermordeten Studentin „pathologische Realitätsverweigerung“ unterstellt, weil dieser bei der Beerdigung seiner Tochter für die Flüchtlingsarbeit in Freiburg gesammelt habe. Tatsächlich hatten die Eltern in einer Traueranzeige statt um Blumen um Spenden für eine Freiburger Studenteninitiative zu spenden, die sich unter anderem in der Flüchtlingshilfe engagiert.
Jetzt kommt es darauf an, wie sich die Gesellschaft verhält
„Dass in diesem Land jemand einer als demokratisch eingeordneten Partei zugehören und jemanden verhöhnen darf, der so etwas erleben musste – da sehen Sie, was los ist“, kommentierte Streich den Vorgang. Menschen dürften wieder Dinge sagen, für die sie „vor ein paar Jahren noch gesellschaftlich degradiert“ worden wären. Heute bekämen sie dafür häufig sogar noch ein zustimmendes Kopfnicken.
Insgesamt sei die derzeitige Situation eine „Herausforderung“, die es anzunehmen gelte und in der man sich „bekennen“ müsse. Wer das nicht mache, trage eine Mitverantwortung an den aktuellen Vorgängen. „Jetzt kommt es darauf an, wie die Gemeinschaft in unserem Land auftreten wird“, so Streich – „ob die Mehrzahl der Bevölkerung sich dem widersetzt und aktiv dagegen vorgeht“.
Der SC Freiburg hat den Mitschnitt der gesamten Pressekonferenz am Donnerstag auf seiner Internetseite veröffentlicht. Die „Badische Zeitung“ stellten ein Video der gut fünfminütigen Passage Streichs in ihren Youtube-Kanal. Dort wurde in nicht mal 24 Stunden mehr als 17.000 Mal angesehen – während sich andere Videos der „Badischen Zeitung“ im zweistelligen Bereich bewegen.
Update: Den klaren Worten des Trainers ließen Fans des FC Freiburg beim Spiel ihrer Mannschaft gegen Darmstadt 98 Taten folgen. Sie hissten ein Spruchband mit der Aufschrift „Rassisten aufs Maul - Maul auf gegen Rassismus.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.