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Was entscheidend für ein NPD-Verbot sein könnte

Wie geht die NPD mit dem laufenden Verbotsverfahren um? Ein Blick in ihre Parteiorgane zeigt: Ein tatsächliches Verbot käme für die Rechtsextremen sehr überraschend. Entscheidend könnte sein, was die NPD als „deutsch“ versteht.
von Marc Brandstetter · 1. April 2016
Die Frage, wer zum deutschen Volk gehört, könnte entscheidend werden für den Ausgang des NPD-Verbotsverfahrens.
Die Frage, wer zum deutschen Volk gehört, könnte entscheidend werden für den Ausgang des NPD-Verbotsverfahrens.

Vermutlich hat die NPD seit zwölf Jahren nicht mehr derart im Rampenlicht der Öffentlichkeit gestanden wie in den ersten drei Märztagen. Im Spätsommer 2004 war die seit den frühen siebziger Jahren politisch weitgehend bedeutungslose Partei auf einer Protestwelle gegen die sozialpolitischen Reformen der rot-grünen Bundesregierung schwimmend in den sächsischen Landtag eingezogen. 9,2 Prozent der Stimmen sicherten den von Holger Apfel geführten Rechtsextremisten zwölf Mandate. Anschließend setzten die Fraktions-„Macher“ auf gezielte Provokationen, um – wie es im NPD-Sprech heißt – die „Schweigespirale der Medien“ zu durchbrechen. Mit Debatten über den „allierten Bombenholocaust“ schafften es Holger Apfel, Uwe Leichsenring, Jürgen Gansel & Co. tatsächlich deutschlandweit in die Zeitungen und Nachrichtensendungen der Fernsehsender.

Dem Bundesrat wird eine Blamage erspart bleiben

Die NPD betrieb damals im Freistaat bereits seit Jahren mit einigen Investitionen ihren Aufbau, der „Erfolg“ ausgerechnet in Sachsen kam nicht über Nacht. Dabei hatte die Partei erst eineinhalb Jahre vorher ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht überstanden, das an der Durchsetzung der NPD mit staatlichen Spitzeln bis in die obersten Parteigremien gescheitert war. Drei der sieben Karlsruher Richter sahen hierin ein „nicht behebbares Verfahrenshindernis“. Diese Blamage wird dem Bundesrat, dem einzigen Antragsteller im laufenden Verbotsverfahren, erspart bleiben. Das hat der Zweite Senat bereits am zweiten Tag der Verhandlung bekanntgegeben.

Nicht nur der Prozessbevollmächtigte der NPD, der Saarbrücker Rechtsanwalt Peter Richter, genoss die große Bühne, die „das System“ den Rechtsextremisten vor dem höchsten Gericht bereitete. Angehörige seiner Partei liefen in Mannschaftsstärke auf, vom aktuellen Vorsitzenden Frank Franz über Ex-Chef Udo Voigt, den „Vorzeige-Ideologen“ Jürgen Gansel bis hin zum Chefredakteur der Deutschen Stimme (DS) und frischgebackenen sächsischen Landesvize Peter Schreiber. In ihrer April-Ausgabe widmet das Parteiblatt dem Verbotsverfahren seinen thematischen Schwerpunkt, Schreiber steuerte einen eigenen Artikel bei und führte ein mehrseitiges Interview mit Richter. Darüber hinaus wendet sich die NPD-„Prominenz“ mit zwei Kommentaren an die eigenen Unterstützer. Einhelliger Tenor: Das Verfahren sei politisch motiviert – es gehe „um das Verbot einer ganzen politischen Richtung“.

Die NPD überschätz sich maßlos

Wie so oft überschätzt die NPD ihre Rolle und ihren politischen Einfluss maßlos. Ein Realitätsverlust mit System, wie nicht zuletzt den Worten des ehemaligen Bundesvorsitzenden Apfel zu entnehmen war, der als Auskunftsperson geladen war. Die heutige Zeit mit ihren „historisch anmutenden Umbrüchen“ eröffne „einer Partei für 'ethnische Deutsche' neue Chancen“, die man „deshalb am liebsten wegverbieten möchte“, schreibt Schreiber. Außerdem würde ohne Druck der NPD „Parteien wie AfD & Co. sehr schnell im etablierten Einheitsbrei aufgehen“, sinniert der frühere Mitarbeiter der sächsischen Fraktion an anderer Stelle. Hier zeigt sich die Hilflosigkeit des angeschlagenen ehemaligen Flaggschiffs der extremen Rechten gegenüber der AfD, auf die es wie das Kaninchen auf die Schlange starrt.

Nicht nur zwischen den Zeilen schimmert bei Schreiber eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber dem Verfassungsgericht durch. Die Art und Weise, wie der Senat die von Richter gestellten Befangenheitsanträge beiseite gewischt habe, spreche „nicht gerade für die Neutralität des Hohen Gerichts“, dem er ebenso eine „an Selbstherrlichkeit grenzende Nonchalance“ attestiert. Ein weiterer Baustein in der Janus-Köpfigkeit dieser Partei, die normalerweise keinen Gang nach Karlsruhe scheut, um dort ihre vermeintlichen Rechte einzuklagen. Richter kündigte derweil an, dass im „unwahrscheinlichen Falle eines Verbots dieser Punkt die Ablehnung des Befangenheitsantrages gegen Richter Huber, die Red. beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einer vertiefenden Prüfung“ zu unterziehen sei.

Knackpunkt Volksgemeinschafts-Ideologie

Als Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens könnte sich das wichtigste ideologische Konstrukt der NPD, die Volksgemeinschaft, erweisen. Zu dieser Erkenntnis ist auch die Parteispitze gelangt, in der Befragung durch die Richter waren Franz, Voigt und Gansel hierzu ins Schwimmen geraten. Da tut es nichts zur Sache, dass die DS den Medien an diesem Punkt eine „verzerrte Berichterstattung“ unterstellt. Eben die eigene NPD-Sichtweise.

Parteichef Franz, vor Gericht wie immer adrett gekleidet, versucht in seinem April-Kommentar diese Flanke zu schließen. Die Antragsteller hätten das Konzept der „ethnischen Kontinuität fälschlicherweise als `Rassentheorie´ dargestellt“. Dabei sei im NPD-Verständnis durchaus die Möglichkeit von „Ermessenseinbürgerungen“ vorgesehen. Weiter führt der bislang erfolglose Saarländer aus: „Wären die neuen Staatsbürger nur ausnahmsweise und nicht in Massen eingebürgert worden, könnten diese durchaus, mit Nachweis eines entsprechenden `Einbringungsbemühens´, Mitglied eben dieser Gemeinschaft sein. Wichtig ist eben, dass die relative Homogenität, die unser Volks auszeichnet, bewahrt bleibt, so dass der Identität des Staatsvolkes kein Abbruch getan wird.“

Deutsch per Erbanlage

Wie dies mit der bisherigen Sichtweise der NPD zusammen passen soll, dürfte das Geheimnis von Franz bleiben. Ganz zu schweigen von der Weltanschauung der Basis, die nicht nur, aber auch aus Neonazis besteht. Diese Truppen dürften die Ausführungen von Franz – nicht zum ersten Mal – auf die Barrikaden treiben.

Die Ideologie der Volksgemeinschaft durchzieht das aktuelle Parteiprogramm. Volksgemeinschaft bedeutet im NPD-Verständnis, „das Volk“ als Gemeinschaft aller Abstammungsdeutschen zu sehen, in der „Volk“ und „Staat“ zu einer Einheit verschmelzen. Alle Angehörigen der Volksgemeinschaft müssen sich dem Willen und den Interessen einer völkisch definierten Gemeinschaft unterordnen.

Eine ausdrückliche Definition ihres Verständnisses der Begriffe „deutsch“, „Deutscher“ oder „Deutsche“ vermeiden die Verfasser im gültigen „Bamberger Programm“. Aufschlussreicher ist ein Blick in die 2006 vom Parteivorstand herausgegebene „Argumentationshilfe für Kandidaten und Funktionsträger“. Dort schreiben die Rechtsextremisten: „Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist und damit in die ethnisch-kulturelle Gemeinschaft des deutschen Volkes hineingeboren wurde.“ Weiter heißt es: „Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung eines bedruckten Papiers (des BRD-Passes) ja nicht die biologischen Erbanlagen verändert, die für die Ausprägung körperlicher, geistiger und seelischer Merkmale von Einzelmenschen und Völkern verantwortlich sind.“

Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von „Endstation Rechts“.

Autor*in
Marc Brandstetter

ist Autor der Plattform „Endstation Rechts“.

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