Warum Rechtspopulisten und Islamisten wie Zwillinge sind
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Was haben der rechtsextreme Massenmörder Anders Breivik aus Norwegen und der syrische Islamist Abu Musab al-Suri gemeinsam? Nicht viel, würden wohl die meisten sagen. In der Tat: Die beiden Männer „trennen Welten, und sie betrachten sich als Todfeinde“, schreibt der Politologe Claus Leggewie in seinem neuen, sehr lesenswerten Buch.
Trotzdem zeigten rechtsradikale Irre wie Breivik und religiöse Fanatiker wie al-Suri eine ganze Reihe an ideologischen Gemeinsamkeiten, erklärt Leggewie in dem Essay. Bereits im Buchtitel hält er fest: Bei allen Unterschieden seien viele der Extremisten unserer Zeit vor allem eins – „Anti-Europäer“.
„Anti-Europäer“: Terroristen und Schreibtischtäter
Für sein Buch hat sich der Essener Politik-Professor durch die Schriften dreier Extremisten gequält: Durch das über 1.500 Seiten dicke Copy-Paste-Machwerk „2083“ des Mörders Breivik, die Schriften des russischen Autors Alexander Dugin – einem rechtsradikalen Imperialisten und angeblichen Ideengeber Putins – sowie die Publikationen des Dschihadisten al-Suri.
Alle drei „Anti-Europäer“ – Breivik, Dugin, al-Suri – verbinde eine tiefe Ablehnung liberaler Werte, schreibt Leggewie: „Wären sie auch nur teilweise erfolgreich, stünde am Ende ein radikal anderes, autoritäres, fundamentalistisches Europa“. Pluralismus, Demokratie, Religionsfreiheit – das alles wäre Geschichte, würden die Pläne der Rechtspopulisten oder die Wünsche der Islamisten Wirklichkeit werden, ist Leggewie überzeugt.
Von Breivik bis zur AfD: Die „Konservative Revolution“
Sowohl der Massenmörder Breivik als auch der „Schreibtischtäter“ Dugin und die gemäßigter auftretenden Rechtspopulisten offenbarten eine besondere Übereinstimmung: Sie alle stünden in der Tradition der „Konservativen Revolution“, einer rechtsextremen Ideologie der Weimarer Zeit, die bei den Anhängern von AfD, Pegida und Co. heute wieder hoch im Kurs steht. Das Feindbild der Neuen Rechten: der „Gutmensch“ – also alle weltoffen und liberal denkenden Bürger, „die tatsächlich noch ein gutes Haar am Muslim lassen, Religionsfreiheit auch für den Islam reklamieren, vielleicht etwas an den Mohammed-Karikaturen, aber nicht an ihrer Publikation auszusetzen haben.“
Zwischen Islam und Islamismus unterscheiden die Rechten freilich nicht. Damit sei ihr Islam-Verständnis identisch mit der Koran-Interpretation der Dschihadisten. „Wobei die Ironie wieder daran besteht, dass es exakt derselbe ‚wahre Islam’ ist – buchgläubig, modern-feindlich, kriegerisch, misogyn –, auf den sich die fundamentalistischen Muslime selbst beziehen“, schreibt Leggewie über das Islambild der Rechten. An anderer Stelle drückt er es so aus: Dschihadisten und Islamfeinde seien so etwas „wie siamesische Zwillinge, die sich hassen und doch nicht von einander lassen können“.
Lange Liste an Gemeinsamkeiten
Die Übereinstimmungen zwischen Rechtspopulismus und Islamismus gehen weit über die gemeinsame Islam-Definition hinaus, erklärt Leggewie. Die Liste der Parallelen ist lang: Was für Pegida das „christliche Abendland“ ist, sei für Islamisten „die Umma rechtsgläubiger Muslime“ – beide Strömungen zeichneten sich durch ein starres, exklusives Verständnis der eigenen Gemeinschaft aus. Darüber hinaus sind laut Leggewie in beiden Szenen Verschwörungstheorien stark verbreitet. Auch die Feindbilder seien in weiten Teilen dieselben: Frauen, Homosexuelle, liberale Demokraten – und natürlich „der Westen“ samt seiner Freiheiten und angeblichen Dekadenz.
Diesen „Westen“ wollten die „Anti-Europäer“ abschaffen, ist sich Leggewie sicher. Gemeint sind sowohl die europafeindlichen Rechtspopulisten als auch ihre „Zwillinge“, die islamistischen Terroristen. Mit dem Kampf gegen das vereinte Europa verfolgten beide extremistischen Strömungen ein gemeinsames Ziel: Das Ende der liberalen Demokratie.
Wer glaubt, diese Gefahr könne auf die leichte Schulter genommen werden, sollte die deutlichen Warnhinweise in Claus Leggewies neuem Buch lesen – und seine Appelle, was zu tun ist gegen die gefährlichen „Anti-Europäer“.
Claus Leggewie: Anti-Europäer. Breivik, Dugin, al-Suri & Co., edition suhrkamp, 173 Seiten, 15,00 Euro.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.