Warum Facebook zur Gefahr für die AfD werden könnte
Thomas Trutschel/photothek.net
Die Zahlen sind beachtlich: Fast 400.000 „Likes“ hat die Facebook-Seite der AfD, mehr als doppelt so viele wie die SPD. Bei der Verbreitung ihrer Botschaften setzen die Rechtspopulisten voll und ganz aufs Internet – eine riskante Strategie.
Rassisten, Antisemiten, AfD-Politiker
Denn mit ihrem Verhalten in den sozialen Netzwerken sorgen sie für immer neue Negativ-Schlagzeilen: von Kinderpornografie über Todesdrohungen bis hin zum klassischen Neonazismus – alles schon vorgekommen im Online-Reich der AfD.
Der jüngste Fall dreht sich um eine Facebook-Gruppe mit dem Titel „Die Patrioten“. Rund 30.000 Mitglieder hat das Forum, darunter Dutzende hochrangige AfD-Politiker aus den Länderparlamenten und dem Bundestag. Manche diskutieren dort fleißig mit.
„Menschen, die ihre Heimat Deutschland lieben“
Screenshots bieten einen Einblick in die Debattenkultur der Rechten: So kochen die Emotionen hoch, als jemand ein Foto veröffentlicht, das den Kuss zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Mann zeigt. Viele teilen per Emoticon mit, sich angesichts des Bilds übergeben zu müssen. Die Meinung in der Facebook-Gruppe ist einhellig: „Rassenschande ist Volksverrat.“
Solch klassische Nazi-Propaganda geht nun selbst der AfD-Spitze zu weit. Der Parteivorstand fordert deshalb alle Mitglieder auf, die rechtsextreme Facebook-Gruppe sofort zu verlassen. Christina Baum, AfD-Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg, lehnt das allerdings entschieden ab. Es sei ihr egal, was in dem Forum geschrieben werde, teilt sie auf Facebook mit. Ein „Zusammenschluss aller Menschen, die ihre Heimat Deutschland lieben und bewahren wollen“ sei nun mal unabdingbar.
Das Märchen vom „Genozid am deutschen Volk“
„Dass sich Christina Baum weigert, aus der Facebook-Gruppe auszutreten, das wundert mich nicht, weil ich ihre Einstellung aus der Arbeit im Landtag kenne“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler. „Sie gehört ganz klar zum rechten Flügel ihrer Partei in Baden-Württemberg.“ Es scheint also kein Zufall zu sein, dass die AfD-Politikerin Baum die rassistische „Patrioten“-Gruppe verteidigt: „Schon im Wahlkampf hat sie im Hinblick auf die damalige Flüchtlingssituation von einem angeblichen ‚Genozid am deutschen Volk‘ gesprochen“, so Drexler im Gespräch mit vorwärts.de.
„Die Inhalte der Facebook-Gruppe ‚Die Patrioten‘ sind durch und durch menschenverachtend. Von Demokratinnen und Demokraten erwarte ich, dass sie selbst merken, dass sich eine Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe aufgrund unserer gesellschaftlichen Werte verbietet“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Susann Rüthrich. „Dass AfD-Abgeordnete dort dennoch Mitglied sind, zeigt mir, dass es diese gemeinsame demokratische Basis nicht gibt.“
AfD-Politiker hält Zivilcourage für Denunziantentum
In der Tat ist die Facebook-Gruppe der „Patrioten“ nicht der erste Fall, bei dem AfD-Politiker extreme Ansichten in sozialen Medien verbreiten. Zum Beispiel: Holger Arppe, der über Jahre gewaltverherrlichende Inhalte in Facebook-Chats veröffentlicht. Nach Bekanntwerden des Falls im Sommer 2017 tritt er als Fraktionsvize der AfD in Mecklenburg-Vorpommern zurück. In seiner Partei genießt er jedoch bis heute Rückhalt, viele wünschen ihn sich als den nächsten Landesvorsitzenden.
Oder die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch, die sich Anfang 2016 bei Facebook für den Schusswaffeneinsatz gegen minderjährige Flüchtlinge ausspricht – und anschließend erklärt, sie sei von der Maus abgerutscht. Auch der hessische AfD-Lokalpolitiker Carsten Härle sorgt online regelmäßig für Empörung – zuletzt, als er eine 15-Jährige bei Facebook eine „Denunziantin“ nennt, weil sie Zivilcourage gegen Neonazis in ihrer Schule zeigt.
Wie weit im Neonazi-Sumpf steckt die AfD?
Bei rechtsextremen Wählern kommen solche Sprüche sicher gut an. Doch je mehr bei Facebook und Co. bekannt wird, wie tief im Neonazi-Sumpf manche AfD-Politiker stecken, desto schwieriger wird für die Partei eines: der Spagat zwischen dem vermeintlich bürgerlichen und ihrem eindeutig rechtsextremen Lager.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.