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Warum die AfD keine Alternative für Arbeiter*innen ist

Gerne gibt sich die AfD als Partei der „kleinen Leute“. Ein Blick in ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl zeigt aber das Gegenteil. Hier setzt die AfD allein auf den Markt – und rassistischen Sozialpopulismus.
von Rainer Roeser · 1. September 2021
Beschädigtes AfD-Plakat zur Bundestagswahl: nationalistischer und rassistischer Sozialpopulismus
Beschädigtes AfD-Plakat zur Bundestagswahl: nationalistischer und rassistischer Sozialpopulismus

Ein paar Wochen ist es her, als Tino Chrupalla sich einmal mehr virtuell den Blaumann überstreifte. Er stehe „an der Seite der arbeitenden Bevölkerung“, beteuerte der AfD-Bundessprecher. „Wir in der Alternative“, so beschrieb er seine Partei, „sind die politischen Vertreter aller, die den Wohlstand unseres Landes erarbeiten.“

Schon Jahre vorher hatte die AfD gelernt: Nicht in den Villenvierteln und auch nicht in jung und studentisch geprägten Innenstadtquartieren holt sie ihre besten Wahlergebnisse, sondern dort, wo die wohnen, die als Arbeitnehmer*innen ihre Brötchen verdienen – oder zumindest hoffen, dies bald wieder tun zu können. 12,6 Prozent erreichte die AfD bei der Bundestagswahl 2017. Unter Selbstständigen und Angestellten kam sie mit jeweils zwölf Prozent auf Durchschnittsergebnisse, wie die Meinungsforscher von Infratest dimap ermittelten. Unter Arbeiter*innen und Arbeitslosen waren es jedoch jeweils 21 Prozent – und das bei einem Zuwachs von 15 bzw. 18 Prozentpunkten.

„Mehr Freiheitsrechte“ bei der Rente

Auch bei der Bundestagswahl am 26. September hofft die AfD, insbesondere im Lager der abhängig Beschäftigten Stimmen einsammeln zu können. In ihrem Wahlprogramm sendet sie entsprechende Signale aus: Den Mindestlohn will sie beibehalten. Lohndumping in der Leiharbeit soll verhindert werden. Das Arbeitslosengeld I will die AfD „gerecht“ gestalten, abhängig von der Dauer der Vorbeschäftigung. Als Alternative zum Arbeitslosengeld II soll zudem eine „Aktivierende Grundsicherung“ eingeführt werden, bei der das Einkommen nicht wie bisher vollständig mit dem Unterstützungsbetrag zu verrechnen wäre.

„Mehr Freiheitsrechte“ verspricht die AfD in der Rentenpolitik. „Wir wollen deshalb jedem ermöglichen, länger zu arbeiten und im Einvernehmen mit dem jeweiligen Arbeitgeber zum individuellen Wunschzeitpunkt den Ruhestand anzutreten. Die Rentenhöhe hängt dabei von den eingezahlten Beiträgen und dem Renteneintritt ab.“

Die Lücken im Wahlprogramm der AfD

Es sind freilich die Lücken, die auffallen. Etwa: Wie hoch müssen Mindestlohn oder „Aktivierende Grundsicherung“ ausfallen, um tatsächlich als existenzsichernd und menschenwürdig gelten zu können? Von welchem regelmäßigen Renteneintrittsalter geht die Partei aus und von welchem Rentenniveau? Doch so konkrete Antworten bleibt die AfD schuldig.

Sie setzt darauf, dass ein nationalistischer und rassistischer Sozialpopulismus ausreicht, um bei der Klientel der Arbeitnehmer*innen punkten zu können. Dabei ist der Glaube der AfD an die Kräfte und Segnungen des Marktes ebenso unerschütterlich wie die Vorstellung, der Staat habe sich zurückzuhalten, wenn es um soziale Gerechtigkeit oder ökologische Erneuerung geht. In ihrem Grundsatzprogramm beklagt sie eine „ständige, vielfach ideologiegetriebene Expansion der Staatsaufgaben“ und empfiehlt dem Staat eine „neue Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung“.

Populisten auf wirtschaftsliberalem Kurs

Ganz ähnlich klingt es im AfD-Programm zur Bundestagswahl. Aufgabe des Staates solle die Erhaltung des Wettbewerbs und die Verhinderung von Monopolen, Kartellen und sonstigen, den Marktmechanismus schädigenden Einflüssen sein. „Staatlich verordnete Preiserhöhungen für vermeintlich gute Zwecke“ gehörten nicht dazu. Die AfD wolle „die Wirtschaft von politisch herbeigeführten Belastungen komplett befreien“. Unter anderem durch eine „Entschlackung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts“ solle der Staat effizienter gemacht werden. „Hetzerische Klassenkampfrhetorik oder vorsätzlich herbeigeführte Konflikte durch Vertreter linker Parteien“ lehne man ab.

Steuerpolitisch empfiehlt die AfD die Abschaffung von Grundsteuer, Vermögenssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer und warnt vor „sozialistischen Gleichheitsvorstellungen und klassenkämpferischen Neidgefühlen“. Als gutes Beispiel für eine große Steuerreform nennt die AfD das Konzept des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof von der CDU: „In Orientierung daran könnten, bei Konzentration auf die beiden großen Steuerarten (Umsatzsteuer und Einkommenssteuer), die Grundsteuer, die Gewerbesteuer und etliche, nach ihrem Aufkommen betrachtet, weitere kleinere Verbrauchsteuern auf Bundesebene ersatzlos entfallen.“

Mehr als alle sozialpolitischen Beteuerungen verweisen die Kapitel zur Wirtschafts- und Steuerpolitik auf den ideologischen Kern der AfD – einer Partei, die nicht materielle Produktions- und Verteilungsverhältnisse, sondern ,volksfeindliche Eliten‘, ,Sozialschmarotzer‘ und ,globale Strippenzieher‘ in den Fokus rückt.

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Autor*in
Rainer Roeser

ist freier Autor, beschäftigt sich intensiv mit der „Alternative für Deutschland“ und schreibt unter anderem für den „Blick nach Rechts“.

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