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Warum Deutschland ein Demokratiefördergesetz braucht

Auf der Buchmesse diskutierten Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent darüber, was wirklich gegen die Gefahren von rechts hilft.
von Kai Doering · 20. Oktober 2019
„Es ist verharmlosend, die AfD als rechtspopulistisch zu bezeichnen.“ Christine Lambrecht und Matthias Quent am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse
„Es ist verharmlosend, die AfD als rechtspopulistisch zu bezeichnen.“ Christine Lambrecht und Matthias Quent am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse

Der Schock von Halle sitzt noch immer tief. Nachdem ein mutmaßlicher Rechtsextremist am 9. Oktober versucht hat, in der Synagoge der Stadt ein Blutbad anzurichten und zwei Menschen erschoss, tobt eine Debatte, ob die Gefahr von rechts unterschätzt wurde. „Es darf nicht bei der Erschütterung bleiben“, fordert Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Der Staat sei gefordert „konsequent zu handeln“. Sie selbst sei „bereit, die Herausforderung anzunehmen“, betonte Lambrecht am Stand des „vorwärts“ auf der Frankfurter Buchmesse.

Rechtsradikalismus aus der Mitte der Gesellschaft

Am Samstag diskutierte sie dort mit dem Soziologen und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent, was gegen den zunehmenden Rechtsextremismus getan werden kann. Quent, der das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena leitet, hat kürzlich das Buch „Deutschland rechts außen“ veröffentlicht, in dem er beschreibt, „wie die Rechten nach der Macht greifen und wie wir sie stoppen können“.

„Es ist verharmlosend, die AfD als rechtspopulistisch zu bezeichnen“, sagte Quent am vorwärts-Stand. Ein großer Teil der Funktionäre sei rechtsradikal. Das Problem sitze allerdings tiefer. So hätten je nach Studie sechs bis 13 Prozent der Deutschen ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. „Der Rechtsradikalismus ist in Deutschland nie vom Himmel gefallen, sondern aus der Mitte der Gesellschaft heraus gewachsen.“

In den vergangenen Jahren sei, so Quent, ein „Kulturkampf“ entbrannt zwischen denen, die die Veränderungen der Globalisierung begrüßten und denen, „die Angst haben, kulturell abgehängt zu werden“. Aus letzteren rekrutiere die AfD ihre Wähler. „Rechtsradikale Bewegungen“ sammelten die Unzufriedenen ein. Der Ton in der Gesellschaft werde rauer. Was aber kann dagegen getan werden?

Lambrecht: Wir dürfen keine rechtsfreien Räume zulassen

„Wir müssen wieder eine Diskussionskultur bekommen, die dem Rechtsstaat entspricht“, lautet für Christine Lambrecht eine Antwort. Es dürfe nicht sein, dass die Meinungsfreiheit benutzt werde, „um andere zu beleidigen und zu diffamieren“, denn aus Hass und Hetze würden schließlich Taten wie in Halle. Die Bundesjustizministerin will deshalb Hass und Hetze im Netz zurückdrängen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass es dort rechtsfreie Räume gibt“, sagte sie in Frankfurt. Und auch in der realen Welt müsse der Rechtsstaat wieder „präsenter sein und als jemand wahrgenommen werden, der meine Interessen als Bürger vertritt“.

Matthias Quent setzt im Kampf gegen Rechts auch auf die Zivilgesellschaft. Die allerdings müsse der Staat zuverlässig unterstützen. „Ein Demokratiefördergesetz könnte dazu beitragen, bewährte Strukturen zu festigen“, findet er. Leider sperre sich die CDU seit Jahren dagegen, „dabei würde es unglaublich viel helfen“. Denn eigentlich seien die Chancen für die Demokratie im Jahr 2019 gut. „Es gab noch nie so viele Möglichkeiten, sich für die Demokratie einzusetzen wie heute“, sagte Quent in Frankfurt. „Es liegt auch an jedem Einzelnen.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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