Vor dem möglichen Verbot: Wie geht es weiter mit der NPD?
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Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes unter dem Vorsitz von Professor Andreas Voßkuhle hat sich Zeit gelassen. Rund zehn Monate nach der mündlichen Verhandlung im Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische NPD im März 2016 wird Karlsruhe sein Urteil verkünden. Den entsprechenden Antrag hatte der Bundesrat bereits im Dezember 2013 eingereicht, den Beschluss hierfür hatten die Ministerpräsidenten schon ein Jahr früher gefasst. Im Gegensatz zum ersten, 2003 an der Durchsetzung der NPD mit staatlichen V-Leuten gescheiterten Verfahren, schlossen sich beim zweiten Anlauf weder die Bundesregierung noch der Bundestag der Länder-Initiative an. Ein Antrag der SPD im Bundestag war zuvor gescheitert.
Verbot würde Verlust aller Mandate bedeuten
Nach Art. 21, Abs. 2 Grundgesetz darf alleine das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungswidrigkeit politischer Parteien entscheiden. Sollten die Richter zu der Einschätzung gelangen, die NPD sei zu verbieten, würde als unmittelbare Folge das Vermögen der Partei eingezogen. Hierzu gehören die NPD-Immobilien, etwa die Parteizentrale in der Seelenbinderstraße in Berlin-Köpenick. Außerdem würde die NPD in diesem Fall ihre Mandate in den Parlamenten einbüßen, etwa den Sitz im Europaparlament, den der frühere Parteichef Udo Voigt inne hat. Seit die Partei Anfang September aus dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt wurde, hält sie ansonsten nur noch Sitze in kommunalen Volksvertretungen. Derzeit dürften es rund 340 Sitze in den Gemeinde-, Stadt- und Kreistagen der Republik sein. Die überwiegende Mehrheit davon befindet sich in den ostdeutschen Bundesländern, in den Kreistagen Mecklenburg-Vorpommerns ist die NPD flächendeckend vertreten. Von einem Verbot wären ebenso die Suborganisationen der Partei wie die Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) oder der Ring Nationaler Frauen (RNF) betroffen.
Die politischen Folgen für die gesamte extrem rechte Szene hielten sich indes in Grenzen, sie dürften keinesfalls so gravierend sein, wie von vielen Beobachtern prognostiziert. Die heutige Situation ist mit der der NPD zum Zeitpunkt der Beratungen über einen neuen Gang nach Karlsruhe im Winter 2012 nicht mehr vergleichbar. Ihre Platzhirsch-Rolle hat die Truppe von Parteichef Frank Franz verloren. Während sie auf der Straße neue Neonazi-Parteien wie Der Dritte Weg oder Die Rechte bzw. neue Organisationsformen wie Pegida und die Identitäre Bewegung (IB) unter Druck setzen, hat ihr die AfD an der Wahlurne längst den Rang abgelaufen. Hinzu kommen interne Streitigkeiten, eine gewisse strategische Ratlosigkeit und finanzielle Probleme.
Fanatismus der Anhänger bleibt
Kurzum: Die NPD befindet sich in der größten Krise seit Beginn der neunziger Jahre. Selbst der einst vergleichsweise aktive Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern ist nach der Wahlpleite vollkommen in der Versenkung verschwunden. Außer dem Einstellen von Meldungen auf der „Weltnetz“-Seite der Partei gehen von ihm aktuell keine Aktivitäten aus. Gleichwohl, aufgrund des Fanatismus ihre Anhänger darf die NPD nicht vollständig abgeschrieben werden.
Verbotsbefürworter führten in der Diskussion stets die Einnahmen der NPD aus der staatlichen Parteienteilfinanzierung als gewichtiges Argument an. Es hieß, eine gegen die Freiheitlich Demokratische Grundordnung gerichtete Partei dürfte nicht auch noch Steuergeld erhalten. 2014 – dem letzten Jahr, aus dem aktuell ein Rechenschaftsbericht vorliegt – überwies die zuständige Bundestagsverwaltung 1,4 Millionen Euro auf die Konten der NPD. Der Betrag machte ungefähr die Hälfte aller Einnahmen der Partei aus. Ein Versiegen dieser Quelle sollte die Handlungsfähigkeit der Szene sicherlich einschränken. Allerdings ist zu beachten, dass die Zahlungen an die NPD aufgrund der eingebrochenen Wahlresultate ohnehin deutlich niedriger ausfallen dürften.
Radikalisierung unwahrscheinlich
Über einen besonders nennenswerten Mitgliederzuwachs werden sich Der Dritte Weg und Die Rechte wahrscheinlich nicht freuen dürfen, falls die NPD verboten werden sollte. Was einzelne Übertritte nicht ausschließt. Dazu bestehen zwischen ihren Führungskadern und der NPD zu große Spannungen. Der Dritte Weg wurde seinerzeit bewusst als Opposition zur NPD gegründet. Wahrscheinlicher ist die Orientierung der NPD-Aktivisten in Richtung Freier Kameradschaften oder Organisationen wie der „Europäischen Aktion“ (EA). Schließlich dürften dann Ex-NPD-„Kameraden“ auch bei oder mit der Gründung von Wählergemeinschaften in Erscheinung treten. Einen Vorgeschmack im bescheidenen Rahmen lieferten bereits die Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern im Mai 2014.
Bei einem Nicht-Verbot sollte eine Radikalisierung der NPD nicht eintreten. Diese Entwicklung hatten Experten nach der Einstellung des ersten Verbotsverfahrens 2003 konstatiert. Damals stand mit Udo Voigt ein Mann anderen Kalibers und mit anderen politischen Vorstellungen als aktuell Frank Franz an der Parteispitze. Außerdem haben viele „radikalere“ Parteigänger der NPD längst den Rücken gekehrt. Durch die Umstrukturierung des rechten und extrem rechten Milieus ist der Einfluss der NPD gesunken. Sie ist nicht mehr das „Gravitationszentrum“ des Rechtsextremismus. Auch deshalb würde eine Einstellung ihre momentane Krise nicht beenden. Die äußeren Faktoren drücken zu schwer auf die NPD. Natürlich würde die Parteispitze ihren Erfolg propagandistisch breit ausschlachten. Wahrscheinlich aber ohne nachhaltigen Effekt.
Eines wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aber auf jeden Fall liefern: Leitplanken, wie zukünftig mit Parteiverboten umzugehen ist. Wohl auch mit Blick auf die europäische Perspektive. Schließlich stammen die letzten und einzigen beiden Urteile bereits aus den Jahren 1952 bzw. 1956.
Dieser Text erschien zuerst auf Endstation Rechts