vk.com: Deutsche Hetze auf russischen Servern
Erinnern Sie sich noch an Jappy, StudiVZ oder SchülerVZ? Jene sozialen Netzwerke, die mit Aufkommen des Web 2.0 aus dem Netz schossen, um nicht selten ebenso schnell wieder zu verschwinden. Der neue Stern am Internet-Himmel der rechten Szene heißt vk.com. Im Oktober 2006 unter dem Namen „vKontakte“ gegründet, zählte das Netzwerk Ende 2013 bereits rund 240 Millionen Nutzer. Nicht erst seitdem scheint die Zahl der Rechtsextremen unter ihnen täglich zu steigen.
Offen rechtsextreme Strukturen zieht es auf vk.com
Warum vk.com? Weil Nutzer in dem auf russischen Servern liegenden Netzwerk jene Narrenfreiheit genießen, die Facebook seit einiger Zeit zu beschneiden versucht. „Facebook geht inzwischen deutlich rigider vor. Den offenen und organisierten Rechtsextremismus, wie er noch vor zehn Jahren dort zu beobachten war, gibt es dort nicht mehr“, erklärt Simone Rafael, Chefredakteurin des unter anderem von der Amadeu-Antonio-Stiftung unterstützten Portals Netz-gegen-Nazis.de. Rafael beobachtet die Nutzung sozialer Netzwerke durch Rechtsextreme seit Jahren und stellt fest: „Auch dank der Task Force unter Beteiligung von Justizminister Heiko Maas bekommen die auf Facebook verbliebenen Rechtsextremen kalte Füße.“
Eine kurze Recherche auf vk.com zeigt: Alte und neue Nazis haben sich dort bestens eingerichtet. Nur wenige Klicks sind es bis auf die Seiten von NPD oder der Neonazi-Partei Die Rechte, auch „Pegida“ und deren Anführer Lutz Bachmann und Tatjana Festerling sind auf vk.com vertreten. Hinzu kommen das Anonymous-Kollektiv, die „Identitäre Bewegung“, die bei Rechtsextremen beliebte Mode-Marke „Ansgar Aryan“ und verschiedenste Kameradschaften, der Kopp-Verlag, das Magazin „Compact“ und das Portal PI-News. Kurzum: Das gesamte Spektrum nationalkonservativer bis offen rechtsextremer Organisationen, die auf Facebook zuletzt häufiger Probleme bekommen haben, tummelt sich auf vk.com.
vk.com - Tummelplatz der extremen Rechten
„Auf vk.com agieren die Leute wieder wie noch vor zehn Jahren auf Facebook. Es ist leicht sich zu finden, statt Chiffren werden eindeutige Symbole und Parolen unverschleiert genutzt, es gibt so gut wie keine Gegenaktivitäten“, erklärt Simone Rafael. Was sie damit meint wird deutlich, wenn Begriffe wie „Adolf Hitler“ oder „Wehrmacht“ in die Suchmaske eingegeben werden. Unter letztgenanntem Titel erscheinen allein 79 sogenannter „Communities“, die größte davon ist mit mehr als 37.700 Mitgliedern der „Wolfsangel Wehrmacht Shop“. Darin findet sich alles, was das Nazi-Herz höher schlagen lässt, in Deutschland verbotene Ware inbegriffen.
Kaum anders im Bereich Musik: Ob Szenegrößen wie Landser oder Skrewdriver - Band des Blood and Honour-Gründers Ian Stuart Donaldson - oder kleinere Nazi-Gruppen wie Painful Awakening oder Path of Resistance aus Mecklenburg-Vorpommern, ihre Musik ist auf vk.com abrufbar. Die Einstiegsdroge Musik, sie wird mit vollen Händen unter den Usern verteilt. Verbotene und in Deutschland indizierte Songs, auf vk.com sind sie nur einen Klick weit entfernt.
Auf vk.com bleiben Nazis unter sich
Einen Nachteil jedoch hat das Netzwerk: Sein Rückstand auf Facebook in Puncto Verbreitung ist riesig. Einer durch den Mediendienst „Meedia“ veröffentlichten Analyse zufolge erreichte vk.com im Juli 2015 14,6 Millionen Visits, etwas mehr als ein Prozent des Facebook-Zahl von 1.1 Milliarden Visits. Die über die eigenen Kreise hinausgehende Vernetzung dürfte der rechtsextremen Szene auf vk.com demnach schwer fallen. „Das ist ein positiver Effekt. Die Nazis kommunizieren unter sich, auf keinen Fall mit einer breiteren Bevölkerung. Eine Verbreitung ihres Gedankenguts wird zumindest derzeit unterbunden“, so Simone Rafael.
Sorgen bleiben dennoch: Zwar unternehme Facebook Anstrengungen, die durchaus zu begrüßen seien. Vorfälle wie die wiederholte Sperrung der Facebook-Seite von „Perlen aus Freital“, einem Blog, der sich gegen rassistische Hetze engagiert und diese öffentlich macht, dürften aber nicht passieren, so Rafael. „Es ist noch viel zu tun“, räumt sie ein. Klar sei: „Der Alltagsrassismus, gerade beim Thema Flüchtlinge, bleibt.“ Einsickern konnte der, da sind sich Beobachter sicher, durch die jahrelange und offensive Nutzung sozialer Netzwerke durch Rechtsextreme, begleitet durch eine allzu nachsichtige Haltung der Netzwerkbetreiber.