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SPD warnt: Corona-Demos als „Nährboden für schwerste Gewalttaten“

Die Zahl rechter Straftaten hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Besorgnis erregt zudem die zunehmende Normalisierung antisemitischer Tendenzen im Kontext der Corona-Pandemie.
von Jonas Jordan · 4. Mai 2021
Antisemitische Tendenzen haben im Kontext der Corona-Pandemie deutlich zugenommen, wie hier auf einer Demonstration in Frankfurt zu sehen.
Antisemitische Tendenzen haben im Kontext der Corona-Pandemie deutlich zugenommen, wie hier auf einer Demonstration in Frankfurt zu sehen.

23.604 rechtsextremistisch motivierte Straftaten verzeichnet das Bundeskriminalamt (BKA) für das Jahr 2020. Das ist ein neuer Höchstwert seit dem Beginn der Erfassung im Jahr 2001. BKA- Präsident Holger Münch stellt die Zahlen am Dienstag gemeinsam mit Bundesinnenminister Horst Seehofer in einer Pressekonferenz vor. Für Benjamin Steinitz vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) sind diese Zahlen jedoch nur die „kleiner werdende Spitze des Eisberges“. Er bemängelt, dass ein Großteil rechtsextremer und antisemitischer Straftaten nicht als solche erfasst würden. 

Antisemitimus steigt im Kontext der Pandemie

Beispielhaft dafür nennt Steinitz einen Fall aus dem Oktober 2020, als ein Mann vor der Synagoge in Hamburg einen Studenten, der eine Kippa trug, mit einem Spaten attackiert und ihm schwere Kopfverletzungen zugefügt hatte. Der Täter trug in einer Tasche einen Zettel mit einem Hakenkreuz bei sich. Dennoch wurde die Tat nicht als antisemitisch motiviert eingestuft. „Das Verkennen rechtsextremer und antisemitischer Motivlagen verschärft das Misstrauen in Polizei und Justiz bei den Betroffenen“, kritisiert Steinitz daher.

Zudem hebt er den massiven Anstieg antisemitischer Tendenzen im Kontext der Corona-Pandemie hervor, nicht nur, aber auch in Verbindung mit Demonstrationen. Es gebe hunderte Beispiele dafür. „Bei Protesten gegen die Infektionsschutzmaßnahmen tritt Antisemitismus offen zu Trage“, sagt Steinitz. Den Demonstrant*innen biete sich eine Gelegenheit zur Artikulation antisemitischer Haltungen. So entstünden antisemitische Dynamiken, die die Sagbarkeitsgrenzen auch in der Mitte der Gesellschaft ausdehnten. 

„Nährboden für schwerste Gewalttaten“

Steinitz sprach von einer bedrohlichen Grenzverschiebung. „Die Hemmschwellen fallen durch permanente Regelverletzungen. So entsteht der Nährboden für schwerste Gewalttaten.“ Steinitz nennt in dem Kontext den Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019, bei dem ein Attentäter versucht hatte, in die dortige Synagoge zu gelangen. Er legitimierte seine Tat durch „seine festen Überzeugungen von der Allmacht der Juden“.

Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese kritisiert deutlich: „Rechtsextremismus ist und bleibt die größte Bedrohung für unsere offene und tolerante Demokratie. Rechtsextremistische Straftaten machten mit rund 53 Prozent mehr als die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten aus.“ Es sei beschämend, dass Hassdelikte in einer vielfältigen Gesellschaft immer noch an der Tagesordnung seien. „Dies ist ohne Wenn und Aber ein Auftrag an uns, noch wirksamer und nachhaltiger gegen Rassismus und Rechtsextremismus vorzugehen“, fordert der Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen.

Corona-Demos als Hotspots für Gewalt

Ähnlich sieht das sein Kollege Uli Grötsch aus Bayern, stellvertretender innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Die Corona-Pandemie ist dabei ein Kriminalitäts-Treiber. Besonders die Anti-Corona-Demos haben sich zu neuen Hot Spots für politisch motivierte Gewalt entwickelt – angefangen von Ordnungswidrigkeiten wie Verstößen gegen Hygieneauflagen bis hin zu Gewalt gegen Medienvertreterinnen und Medienvertreter sowie gegen Polizeikräfte. Das ist völlig inakzeptabel.“ Es sei daher richtig, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nun auch bundesweit Teile der Querdenker-Bewegung beobachte, die sich zunehmend radikalisiere.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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