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Sachsen: CDU-Ministerpräsident Kretschmer will Neonazi treffen

Der ehemalige NPD-Funktionär Marco Wruck unterhält gute Kontakte zur sächsischen Union. Jetzt wird er zu einem „Bürgerforum“ mit CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer eingeladen. Der hält den Rechtsextremisten nur für einen „vermeintlich Rechten“.
von Paul Starzmann · 26. März 2018
NPD Demo
NPD Demo

Ein bekennender Rechtsextremist als Gesprächspartner? Für die meisten politischen Parteien in Deutschland kommt so etwas nicht in Frage. In Sachsens CDU jedoch sieht das anders aus. Dort tun sich die Konservativen traditionell schwer mit der Abgrenzung nach rechts außen. Das belegt nun auch der Fall des Bautzener Ex-NPD-Kreischefs Marco Wruck. Der Neonazi hat vor kurzem Post aus der sächsischen Staatskanzlei erhalten: eine Einladung zu einem „Bürgerforum“ mit dem CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer.

Ex-NPD-Mann: „Danke für die erneute Einladung“

„Miteinander zu reden und sich auszutauschen ist wichtig für eine lebendige Demokratie und die Zivilgesellschaft“, heißt es in dem Schreiben, das Wruck am vergangenen Wochenende stolz bei Facebook postete. „Danke für die erneute Einladung“, schrieb der ehemalige NPD-Funktionär bei Facebook. „Natürlich nehme ich die Einladung an, werde mich auch weiterhin engagieren und vor allem kritische Themen wie Asyl und Armut ansprechen.“ Die Veranstaltung soll Anfang Mai in Dresden stattfinden.

Dann will Kretschmer mit den Bürgern in den persönlichen Dialog treten – darunter explizit auch mit Ex-NPD-Mann Wruck. „Ich werde gefragt, warum ich einen vermeintlichen ‚Rechten‘ zu einem Bürgerdialog einlade“, schrieb der Ministerpräsident bei Facebook, nachdem Kritik an dem geplanten Treffen laut geworden war. Kretschmer verwies darauf, dass sein Amtsvorgänger Stanislaw Tillich das Format des „Bürgerforums“ ins Leben gerufen habe. Er setze die Veranstaltungsreihe lediglich fort.

Daniela Kolbe fordert klare Haltung

Im Gegensatz zu Kretschmer hatte Tillich während seiner Amtszeit allerdings noch eine andere Meinung zur Person Wruck. Der Rechtsextremist ist in CDU-Kreisen kein Unbekannter. Im Sommer 2017 hatte er regen Kontakt mit Udo Witschas, dem stellvertretenden CDU-Landrat von Bautzen. Die beiden Männer tauschten sich damals freundlich per Facebook-Chat aus – ausgerechnet über Flüchtlingspolitik. Tillich kritisierte seinen CDU-Kollegen Witschas damals. „Man braucht mit der NPD nicht über Deeskalationsstrategien zu reden“, sagte er – erklärte die Causa aber zugleich zu einem Einzelfall.

Nun soll Wruck im Mai beim „Bürgerforum“ Tillichs Nachfolger treffen, den Ministerpräsidenten Kretschmer. „Es ist mir ein Rätsel, weshalb Marco Wruck eine persönliche Einladung zu den Bürgerdialogen des Ministerpräsidenten erhalten hat“, sagte dazu Daniela Kolbe, Generalsekretärin der sächsischen SPD. „Marco Wruck ist kein ‚vermeintlich Rechter‘, wie ihn Michael Kretschmer bezeichnet, er ist ehemaliger NPD-Kreischef von Bautzen und bekennender Nazi.“ Kretschmer solle sich im Klaren darüber sein, dass Rechtsextremisten Veranstaltungen wie das „Bürgerforum“ für ihre Propaganda zu missbrauchen versuchten, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Leipzig. „Ebenso klar ist auch, dass die Teilnahme von bekennenden Rechtsextremen viele andere Bürgerinnen und Bürger abschreckt. Ich hätte mir hier eine klare Haltung des Ministerpräsidenten gewünscht.“

Wrucks Rechtsextremismus: „eindeutig belegt“

Auch Roland Fleischer, der für die SPD in Bautzen im Kreistag sitzt, kann Kretschmers Aussage über den „veremintlichen Rechten“ Wruck nicht nachvollziehen: „Ich finde es unerträglich, wenn Herr Kretschmer so etwas sagt.“ Dass Wruck weit rechts stehe, sei „eindeutig belegt“, sagte Fleischer. „Man kennt seine Aussagen.“

In der Bautzener Lokalpolitik ist Wruck nach Fleischers Aussage schon seit einigen Wochen nicht mehr in Erscheinung getreten. „Er ist abgetaucht.“ In den sozialen Medien sieht das anders aus: Dort postet der Rechtsextremist regelmäßig, hetzt gegen Flüchtlinge und freut sich jetzt über die Einladung seines Ministerpräsidenten nach Dresden.

Ob ihm dort wirklich an einem Dialog gelegen ist, lässt sich jedoch bezweifeln. Auf der Fotoplattform Instagram teilte er vor einiger Zeit ein Bild, das zeigt, welche Politik dem ehemaligen NPD-Funktionär vorschwebt. „Ich fordere eine konsequente Abschiebung aller Flüchtlinge“, steht da in großen Buchstaben – und darüber die Worte: „Keine Diskussionen mehr“.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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