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Rechtspopulisten im Parlament: Die Doppelstrategie der AfD

Die AfD eilt von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Wie können die Rechtspopulisten aufgehalten werden? Einige Antworten hat der frühere Politikprofessor Christoph Butterwegge am Samstag auf der Frankfurter Buchmesse gegeben. Die SPD sieht er dabei besonders in der Verantwortung.
von Kai Doering · 13. Oktober 2018
Christoph Butterwegge am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse
Christoph Butterwegge am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse

Seit einem Jahr sitzt die AfD im Bundestag. Außer in Bayern und Hessen sind die Rechtspopulisten in allen Landesparlamenten vertreten. „Die AfD hat sich etabliert“, fällt so auch das Urteil von Christoph Butterwegge ziemlich deutlich aus. Am Samstag Nachmittag sitzt er am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse, um über sein gerade erschienenes Buch „Rechtspopulisten im Parlament“ zu sprechen. Gemeinsam mit zwei weiteren Autoren hat der emeritierte Politik-Professor „Polemik, Agitation und Propaganda der AfD“ untersucht.

Die Demokratie im Zangegriff der AfD

„Die politische Kultur hat sich durch die parlamentarische Präsenz der AfD tiefgehend verändert“, berichtet Butterwegge. Die Partei „tritt aggressiv und provokant auf“ und „verschiebt dabei den Diskurs nach rechts, indem sie alle Diskussionen auf das Flüchtlingsthema lenkt“. Die Parlamente seien dabei „eine wichtige Bühne“.

Butterwegge und seine Mitautoren haben eine „Doppelstrategie“ der AfD festgestellt: Bei Demonstrationen marschierten ihre Vertreter – wie im August in Chemnitz – mit Neonazis, in den Parlamenten gäben sie sich seriös. „Damit nimmt die AfD die Demokratie in den Zangengriff.“

Die Hemmschwelle der Nazizeit wirkt nicht mehr

„Egal zu welchem Thema wir im Bundestag sprechen: Die AfD kommt immer auf das Flüchtlingsthema“, hat auch Rita Hagl-Kehl beobachtet. Neulich passierte es der SPD-Abgeordneten und Staatssekretärin im Justizministerium sogar bei einer Debatte über das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Das, so Hagl-Kehl, sei das große Dilemma der Parteien: Sie könnten reden über was sie wollen, „bei den Menschen kommen nur Asylpolitik und Migranten an“.

Allerdings sei eine Partei wie die AfD nicht allein ein deutsches Phänomen. „Wir beobachten, dass rechte Parteien fast in ganz Europa in die Parlamente einziehen. Der Populismus greift um sich.“ Einen Grund sieht Hagl-Kehl in der Angst der Menschen vor Veränderungen, wie sie etwa die Digitalisierung mit sich bringt. Dass es in Deutschland vergleichsweise lange gedauert hat, bis eine rechtspopulistische Partei Erfolge feiern konnte, sieht sie in der deutschen Geschichte begründet. Nach den Erfahrungen der Nazizeit „war hier die Hemmschwelle höher“.

Das beste Mittel gegen die AfD: soziale Politik

Dem stimmt auch Christoph Butterwegge zu. „Die Gretchenfrage für alle rechten Parteien in Deutschland war stets: Wie hältst du es mit Hitler?“ Auch die Fünf-Prozent-Hürde habe rechtsradikale Parteien meist außerhalb der Parlamente gehalten. Das allerdings funktioniere nun nicht mehr.

Den Grund für die Erfolge der AfD sieht Butterwege vor allem in einer verfehlten Sozialpolitik. „Die soziale Zerklüftung der Gesellschaft hat wesentlich dazu beigetragen, dass rechte Parolen wieder salonfähig geworden sind“, erklärt er. Um den Nährboden für die AfD auszutrocknen sei es deshalb wichtig, „wieder soziale Politik“ zu machen.

Die SPD sieht Butterwegge dabei in einer besonderen Verantwortung. Nicht nur sei Thilo Sarrazin „der geistige Ziehvater der AfD“, die SPD habe auch mit der Agenda 2010 die soziale Spaltung beschleunigt. Deshalb ist Butterwegge sicher: „Wenn die SPD nicht die Agenda zurücknimmt, wird sie gegenüber der AfD ins Hintertreffen geraten.“ Im Kampf gegen die Rechtspopulisten komme es aber „ganz wesentlich auf die SPD an“.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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