Rechtspopulismus: Wie die AfD in den Landtagen versagt
Die Landtagswahl in Sachsen 2014 – für die AfD-Politikerin Frauke Petry war sie die Rettung. Mit ihrem Einzug ins sächsische Parlament konnte sie alle Geldsorgen erst einmal vergessen: Sie bekommt jetzt eine monatliche Diät von über 5000 Euro. Zuvor habe sich die AfD-Bundesvorsitzende finanziell gerade so über Wasser halten können, erzählt die Spiegel-Journalistin Melanie Amann in ihrem Buch „Angst für Deutschland“.
Landtagsmandat: eine „neue Form der sozialen Absicherung“
In ihrer Partei scheint Frauke Petry kein Einzelfall zu sein: Für viele AfD-Politiker, die in den vergangenen zwei Jahren Landtagsmandate errungen haben, sei der Einzug ins Parlament ein deutlicher Aufstieg und eine „neue Form der sozialen Absicherung“, heißt es in einer aktuellen Studie.
Vor kurzem noch Rentner oder arbeitslos – dank der AfD haben einige heute ein gut bezahltes Landtagsmandat. In anderen Parteien sind langjähriges Engagement und die berüchtigte „Ochsentour“ Vorraussetzung für so eine Karriere, in der AfD scheinen die Hürden hingegen deutlich niedriger zu liegen.
Zwischen Parlamentsarbeit und Fundamentalopposition
Die neue Studie vom „Wissenschaftszentrum Berlin“ hat untersucht, wer in den vergangenen Jahren für die AfD in die Länderparlamente eingezogen ist – und was die Rechtspopulisten dort treiben.
Zehn von 13 AfD-Landtagsfraktionen haben der Politik-Professor Wolfgang Schroeder und seine Kollegen zwei Jahre lang beobachtet. Das Fazit: Nur jede zweite der Fraktion zeige echtes Interesse an parlamentarischer Arbeit. Die andere Hälfte verstehe sich als gesellschaftliche Bewegung und setze auf „kulturelle Fundamentalopposition“, wie Schroeder es nennt. Welche Rolle eine Fraktion einnimmt, hänge meist allein von ihrem Vorsitzenden ab. Oft handle es sich bei den Aktivitäten der AfD in den Landtagen aber mehr um „inszenierte Parlamentsarbeit“ als darum, die Rolle als Oppositionsfraktion sinnvoll auszufüllen.
Die AfD-Politiker verstehen den Parlamentsbetrieb nicht
Der Grund für Schroeders Kritik liegt im Verhalten der AfD-Abgeordneten: „In den Arbeitsroutinen der AfD-Landtagsfraktionen bestehen nach wie vor große Mängel,“ heißt es in der Studie. „Zwar werden Kleine Anfragen rege genutzt, weniger jedoch die komplexeren Instrumente, wie Große Anfragen oder Anträge, für die eine höhere inhaltliche Kompetenz vonnöten wäre.“ Obwohl viele AfD-Abgeordnete seit über zwei Jahren Berufspolitiker sind, scheinen sie sich mit den Abläufen im Parlament noch immer nicht auszukennen: Oft halte sich die AfD aus wichtigen Fragerunden an die Regierung heraus – nur weil ihre Abgeordneten die nötigen Fristen versäumten, so die Studie. Manche der politischen Neulinge seien einfach „heillos überfordert“ vom täglichen Politikbetrieb.
Vor allem bei der wichtigsten Tätigkeit eines Abgeordneten, der Arbeit in den Ausschüssen, scheint die AfD auf ganzer Linie zu versagen. Die Rechtspopulisten bevorzugten den Auftritt in der Plenardebatte, sagt Schroeder: „Es gibt im Plenum die Konfrontation, im Ausschuss das Schweigen.“ In der Studie heißt es: „Die Arbeit im Plenum wird weniger zur konstruktiven Kontrolle der Regierung genutzt als vielmehr als Bühne für Protest und Provokation, die über Social-Media-Kanäle gestreut werden können.“
AfD-Bundestagskandidaten: lauter Radikale
Die Kleinen Anfragen – zumeist zu den Themen Migration, Kriminalität, Öffentlich Rechtlicher Rundfunk und Linksextremismus – seien für die AfD ein „PR-Tool“, sagt Schroeder. Den Anhängern solle der Eindruck vermitteln werden, die AfD gehe im Parlament tatsächlich ihrer Arbeit nach.
Doch selbst die AfD-Mitglieder scheinen nicht sehr zufrieden zu sein mit ihren Abgeordneten. Nach Schroeders Einschätzung betrachtet die Basis der AfD ihre – in kürzester Zeit zu Berufspolitikern mutierten – Landtagsabgeordneten inzwischen sogar als Teil des verhassten „Establishments“. Die Basis wende sich zunehmend von ihnen ab. Dies zeigten die Listen für die kommende Bundestagswahl, sagt Schroeder: Die seien „voller Radikaler“.
Sollten die Rechtspopulisten im Herbst tatsächlich in den Bundestag einziehen, auf das Berliner Parlament würde wohl einiges zukommen.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.