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Rechtsextremismus: Verfassungsschutzbericht bestätigt SPD-Warnungen

Gezielte Attentate, verbale Enthemmung, eine „Front aus Hass“: Der Verfassungsschutzbericht beschreibt Rassismus und Rechtsextremismus als die größte Gefahr in Deutschland. Davor warnt die SPD schon lange, jetzt hat es auch der CSU-Innenminister erkannt.
von Benedikt Dittrich · 9. Juli 2020
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Selten ist der CSU-Bundesinnenminister sich einig mit den Sozialdemokrat*innen, die schon seit langer Zeit vor einer wachsenden Bedrohung durch rechten Terror und Extremismus warnen. Doch der am Donnerstag vorgestellte Verfassungsschutzbericht spricht eine deutliche Sprache. SPD-Politiker*innen fordern weitere Maßnahmen im Kampf gegen die steigende Zahl gewaltbereiter Rechtsextremist*innen.

„Der Rechtsextremismus ist und bleibt die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland“, erklärte dazu auch Dirk Wiese am Donnerstag, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender. Er sieht größten Handlungsbedarf im rechten Spektrum, das der Bericht mit 32.000 Personen beziffert, 13.000 davon gewaltorientiert. Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken begrüßte vor allem, dass der Bericht diejenigen nennt, von denen Hass und Hetze ausgeht: „Die Beobachtung von Teilen der AfD ist angebracht und folgerichtig.“ Die SPD beobachte mit Sorge die Zunahme extremistischer Tendenzen und die Gewaltbereitschaft in allen Phänomenbereichen, so die Parteivorsitzende weiter: „Das gilt besonders für den Antisemitismus, der fast ausschließlich, zu 90 Prozent, von Rechtsextremisten ausgeht.“

Hetze entschieden engegentreten!

„Wachsamkeit allein reicht nicht“, kritisierte die SPD-Bundestagsabgeordnete Marja-Liisa Völlers schon während der Vorstellung des Berichts, „Wir müssen rechter Hetze auf allen Ebenen entschieden entgegentreten!“ Ihr Fraktionskollege Uli Grötsch forderte im selben Atemzug eine konsequente Entwaffnung gewaltbereiter Extremist*innen und nahm vor allem rechtsextreme Mitarbeiter*innen in öffentlichen Behörden in den Fokus: „Wir müssen Wölfe im Schafspelz im öffentlichen Dienst entfernen.“ Es dürfe keine einzige Waffe in den Händen von Nazis bleiben. „Rechtsextreme sind tickende Zeitbomben“, sagte Grötsch an anderer Stelle.

Gewalt und Hass im Internet und auf der Straße

CSU-Innenminister Horst Seehofer hatte zuvor den Verfassungsschutzbericht 2019 zusammen mit Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, vorgestellt. Darin bezeichneten Haldenwang und Seehofer unisono den Rechtsextremismus als die „größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland“. Vor allem die Zahl der Gewaltdelikte sei gestiegen, so Seehofer, um wenig später zu betonen, dass die Bundesregierung die Bedrohungslage erkannt und bereits entsprechende Maßnahmen veranlasst habe. Als jüngstes Beispiel nannte er das Gesetz gegen Hasskriminalität der SPD-Justizministerin Christine Lambrecht, das vor allem die strafrechtliche Verfolgung von kriminellen, gewalltverherrlichenden und volksverhetzenden Äußerungen im Netz verbessern soll. Es wurde im Juni dieses Jahres verabschiedet.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier, hatte zuvor im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland von einer „Demokratie unter Druck“ gesprochen – er beobachte rechtsextremistische Aktivitäten in Deutschland wie noch nie zuvor und eine „Entgrenzung zur Mitte“. Auch im „vorwärts“ hatte der Sozialdemokrat jüngst vor festen rechten Strukturen auch in seinem Bundesland gewarnt.

„Front aus Hass“ im Internet

„Vor allem die Mobilisierung der rechtsextremen Szene im Internet führt zu gewaltbereitem Hass und Enthemmung“, erklärte auch Dirk Wiese dazu am Donnerstag. „Deshalb war es wichtig, dass wir die Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Deutschen Bundestag beschlossen haben.“ Verfassungsschutzpräsident Haldenwang sprach am Donnerstag in diesem Zusammenhang von einer „Front aus Hass“, die sich im Internet formiert habe und nannte Beispiele: „Rechtsextremisten, die Politiker hinrichten wollen oder ein Blutbad in einer Synagoge anrichten wollen.“ Der aller Erkenntnis nach rechtsextrem motivierte Mord an Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke, die Attentate in Hanau, Halle und Wächtersbach seien nur die Spitze der Gefahr, die um sich greife, so der oberste Verfassungsschützer weiter.

Gerade in diesem Bereich kritisieren Sozialdemokrat*innen aber die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Schon im Juni äußerte sich die Vorsitzende der hessischen SPD Nancy Faeser kritisch zur Arbeit des Verfassungsschutzes. Warum beispielsweise der mutmaßliche Mörder Walter Lübcke durchs Raster der Sicherheitsbehörden rutschen konnte, könne sie nicht nachvollziehen, sagte die Juristin im Juni dem Deutschlandfunk.

Hinzu kommen Drohungen gegen eine hessische Linken-Politikerin von einer Gruppe, die sich als „NSU 2.0“ bezeichnet, deren Spuren zur hessischen Polizei führen – was der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion in dem Bundesland als Skandal bezeichnete. „Ich bin fassungslos“, so Günter Rudolph, „Wenn die Spur der widerwärtigen Drohungen gegen unsere Kollegin Janine Wissler zu einem Dienstcomputer der hessischen Polizei führt, beschädigt das das Vertrauen in die Zuverlässigkeit unserer Sicherheitsbehörden ganz erheblich.“

Konflikt um Studie zu „racial profiling“ hält an

Ermittlungen, auf die auch Seehofer bei der Bundespressekonferenz angesprochen wurde. Den Vorgang insgesamt bezeichnete er als „völlig inakzeptabel“, versrpach Aufklärung und betonte, dass natürlich jede*r Politiker*in den notwendigen Schutz genießen müsse.

Eine Studie zu „racial profiling“ in der Polizei will der Innenminister hingegen weiterhin nicht, auch nachdem Justizministerin Lambrecht betont hatte, daran festhalten zu wollen. Stattdessen verwies er auf Untersuchungen zu Beschäftigten mit rechtsextremen Tendenzen in allen Verwaltungsbehörden in Deutschland – erste Ergebnisse dazu wolle er im Herbst vorlegen. Auch Dirk Wiese ermunterte den Innenminister, seine Position zu überdenken. Eine Studie zu den rassistischen und eigentlichen verbotenen Polizeikontrollen sei auch „im Interesse der ganz überwiegenden Mehrheit der Polizisten, die auf festem Boden unserer Demokratie stehen“.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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