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Rechtsextreme in Sachsen: Warum die CDU Teil des Problem ist

Pegida, Kameradschaften, AfD – immer wieder sorgen rechte Umtriebe in Sachsen für Schlagzeilen. Die CDU trage daran eine Mitschuld, sagen Kritiker wie der sächsische SPD-Chef Martin Dulig. Warum ist aber der „Pizza-Dienst“ ein Teil des Problems?
von Paul Starzmann · 31. März 2017
Proteste in Freital
Proteste in Freital

Es hätte für die sächsische CDU eine gute Gelegenheit sein können, ihren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Der Journalist Matthias Meisner und seine Kollegin Heike Kleffner haben einen Sammelband über den Rechtsextremismus in Sachsen herausgebracht. Das Buch mit dem Titel „Unter Sachsen“ wollten sie am Donnerstag der Öffentlichkeit präsentieren – am liebsten in der sächsischen Landesvertretung in Berlin. Doch die Sachsen-CDU lehnte das ab, wollte keine Räume zur Verfügung stellen – womit die Konservativen abermals den Vorwurf bestätigten, kein besonders ausgeprägtes Interesse am Kampf gegen den Rechtsextremismus zu haben.

Martin Dulig: Der „Sachsen-Chauvinismus“ der CDU

So mussten Meisner und Kleffner auf ein anderes Haus ausweichen, um ihr Buch vorzustellen. Anstatt in die sächsische Landesvertretung zu gehen, zogen sie rund zwei Kilometer weiter: in die Berliner Vertretung des rot-rot-grün regierten Freistaats Thüringen.

Als Gast gekommen war Martin Dulig, SPD-Wirtschaftsminister in Sachsen und stellvertretender Ministerpräsident. Er teilt den Befund aus dem Buch „Unter Sachsen“: Dort heißt es, die sächsische CDU relativiere, negiere, sehe weg, wenn es um das Problem mit den Rechten geht. „Warum ist das so mit der CDU in Sachsen?“, fragte Dulig. Seine Antwort: Die Konservativen hätten schon unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in den 1990ern den „Sachsen-Chauvinismus“ gepflegt und immer wieder nach rechts außen geschielt. Zugleich habe Biedenkopf stets behauptet, sein Land sei immun gegen Rassismus und rechte Umtriebe. Ein grober Fehler, wie Dulig findet: „Das ist das eigentlich Ärgerliche.“ Mit Blick auf die rechte Gewalt in Sachsen ergänzte die Dresdner Linken-Politikerin Katja Kipping: „Das ist eine Staatspolitik der CDU, die auf jeden Fall diese Entwicklungen befördert hat.“

25 Jahre CDU-Regierung: Das Problem mit dem „Pizza-Dienst“

Das wollte der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz nicht auf sich sitzen lassen. Nachdem die sächsische Staatskanzlei ihre Berliner Niederlassung nicht für eine Buchvorstellung zur Verfügung stellen wollte, traute sich zumindest der Christdemokrat und Pegida-Kritiker Wanderwitz in die Landesvertretung Thüringen, um über das Rassismus-Problem in seinem Bundesland zu sprechen. Dass seine Partei eine Mitschuld trage, wies der CDU-Politiker aber erwartungsgemäß von sich. Nicht nur in Sachsen, sondern überall auf dem Land in Ostdeutschland gebe es Probleme mit Neonazis, sagte er. „Das macht es nicht besser, aber es gehört für mich zum großen Bild dazu.“ Für ihn sind die rechten Umtriebe in Heidenau, Clausnitz oder Freital die „Nachwirkungen von zwei Diktaturen“. Dass auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nur relativ wenige Christen lebten, habe außerdem einen Anteil an der Entstehung der rechten Gewalt.

„Das Problem heißt Rassismus – Punkt!“, gab hingegen Martin Dulig zu bedenken. Zusätzlich gebe es noch immer ein großes gesellschaftspolitisches Problem in den neuen Ländern: „Ein gewisser Teil in Ostdeutschland ist noch nicht in der parlamentarischen Demokratie angekommen.“ Viele verwechselten die Demokratie mit einem „Pizza-Dienst“. Will heißen: Viele glaubten, sich ihre politische Agenda auf Bestellung nach Hause liefern lassen zu können – ohne jemals vom Sofa aufstehen zu müssen, um sich in Vereinen, Initiativen, Parteien oder auf der Straße politisch zu engagieren. Deswegen gebe es mancherorts zu wenige, die sich entschieden für die Demokratie einsetzten. Ein Problem, das auch der CDU-Politiker Wanderwitz kennt: Es gebe zwar demokratisches Engagement in Sachsen – „Allerdings ist das Pizza-Modell leider zutreffend.“

Imran Ayata: „Das geht uns alle an“

Wie unter diesen Umständen die richtige Antwort auf den Rechtsextremismus in Sachsen aussehen könnte, bleibt offen – die Herausgeber Meisner und Kleffner können mit ihrem Buch jedoch Denkanstöße anbieten. Sicher ist, dass über Rechtsextremismus in Zukunft noch viel zu reden sein wird – auch oder gerade dort, wo die sächsische CDU das Sagen hat. Vielleicht öffnet die Sachsen-Union ja sogar eines Tages ihre Türen für eine Diskussion über Rassismus und rechte Gewalt. Bis dahin bleibt zu hoffen, dass sich der eine oder andere Unionspolitiker zu Herzen nimmt, was der Autor Imran Ayata in dem Buch „Unter Sachsen“ schreibt: „Deutschland liegt in Sachsen. Denn was dort geschieht, geht uns alle an.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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