Rechte Szene: Keine Berührungsängste, nirgends
Die Veranstaltung ist keine 15 Minuten alt, da lässt Egbert Ermer alle Hüllen fallen. Mit Bezug auf das Rechts-Rock-Konzert „Rock gegen Überfremdung“, das am Wochenende zuvor 6.000 Neonazis in die thüringische Kleinstadt Themar gelockt hatte, sagt das Vorstandsmitglied des AfD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: „So sieht deutscher Nationalstolz aus. So sieht Demonstration, so sieht Rockkonzert aus.“ Mit keinem Wort erwähnt Ermer die Aufnahmen dutzender zum Hitlergruß gereckter Arme von Konzertteilnehmern, die deutlich vernehmbaren „Sieg Heil“-Rufe oder T-Shirts mit Aufschriften wie „I love HTLR“ und „Freiheit für Wolle“ (gemeint ist Ralf Wohlleben, Angeklagter im NSU-Prozess, Anm. d. Redaktion). Stattdessen übt der AfD-Kommunalpolitiker demonstrativ den Schulterschluss zur extremen Rechten und erntet dafür den Beifall seiner Zuhörer. Am Ende der Rede sagt Ermer mehrfach: „Wir sind die Mitte der Gesellschaft“ - niemand wiederspricht ihm.
Einigung des rechtsextremen Lagers
Die Worte Ermers machen deutlich: Die Grenzen zwischen national-konservativ und rechtsextrem, zwischen AfD und NPD, Pegida, Reichsbürgern und Kameradschaftern verschwimmen zusehends – sie lösen sich auf. Bei der vom AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge organisierten Kundgebung gegen einen Auftritt von Bundesjustizminister Heiko Maas in Dresden hatte die Initiative „EinProzent“ des rechtsextremen Vordenkers Götz Kubitschek ebenso Stellung bezogen wie Vertreter der Identitären Bewegung. Als Ordner agierten Aktivisten wie Pegida-Vize Siegfried Däbritz neben Trägern von T-Shirts mit der Aufschrift „Anti-Antifa“.
Das Konzert in Themar wiederum spielte nicht nur in der Rede Ermers eine Rolle: Beobachtern zufolge fanden sich einzelne Teilnehmer des Konzerts auch bei den Protesten gegen den Auftritt von Heiko Maas wieder. Zudem beteiligten sich mehrere stadtbekannte Neonazi an den Protesten vor und im Saal des Maas-Vortrags, darunter Ronny Thomas. Letzterer war Teil der Gruppe, die während des Vortrags von Heiko Maas mit „Stasi 2.0“ Gesichtsmasken Aufstellung nahmen, ergänzt durch ein Transparent „Maas = Stasi“. Die Aktion störte die Veranstaltung nur marginal, erreichte jedoch in den sozialen Netzwerken eine große Reichweite.
Die sechs waren nicht die einzigen Vertreter des Protestlagers, die es in den mit rund 400 Menschen gut gefüllten Saal geschafft hatten. Mit Felix Menzel stellte der Chefredakteur der „Blauen Narzisse“ und Vordenker der Neuen Rechten* die erste Frage an den Bundesjustizminister. Menzel wollte wissen, warum „linksextreme“ Internetseiten wie „indymedia“ nicht gelöscht würden. Maas beantwortete die Frage inhaltlich, mutmaßlich ohne den Hintergrund des Fragestellers zu kennen. Ebenfalls im Saal war ein mutmaßlich der „EinProzent“-Initiative nahestehendes Kamerateam, dass die Gruppe um Ronny Thomas bereits vor ihrer Aktion mehrfach abgefilmt hatte. Das Team war – ganz offensichtlich – in deren Pläne eingeweiht.
* In einer ersten Version des Textes hieß es, Menzel sei „einer der führenden Köpfe der Identitären Bewegung“. Dieser Passus wurde gelöscht. Bezüge von Menzel zur Identitären Bewegung und deren Führungspersonen sind aber zahlreich belegt.