Rechte Netzwerke suchen Anschluss
Eine neue soziale Bewegung von rechts macht der Fachjournalist und Buchautor Andreas Speit aus. Ihm zufolge zählen dazu: die AfD als das parteipolitische Gravitationsfeld sowie die Neue Rechte, die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und das Institut für Staatspolitik als ideologische Zentren, die „Identitäre Bewegung“, Pegida und die Initiative „Ein Prozent“, ferner Zeitschriften wie „Compact“-Magazin, „Zuerst!“, „CATO“ sowie das islamfeindliche Portal „PI News“ als mediale Beschleuniger – und auf der Straße vereine sich eine Mischszene von „Wutbürgern“ über rechte Hooligans und Rocker bis hin zu extremen Rechten.
Speit, ein langjähriger guter Kenner der Szene, kann seitens der AfD jedenfalls keine Abgrenzungsbemühungen gegenüber diesem rechten Milieu erkennen. Deutlich wurde das demnach vor allem am 1. September in Chemnitz, als die AfD mit Pegida aufmarschierte und sich Teilnehmer von „Pro Chemnitz“ bis hin zu Neonazis von der Partei „Die Rechte“ anschlossen.
AfD bietet zahlreiche Karrieremöglichkeiten
Auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel „Neue Rechte, Identitäre und Co.“ wurde Anfang Dezember über Netzwerke in der rechtsextremen Szene diskutiert. Dass es diese Netzwerke gibt, daran kann es kaum Zweifel geben. Speit zeigt Beispiele auf, wie aus den Reihen der „Identitären“ und neurechten Publikationen wie der „Blauen Narzisse“ für die AfD geworben wurde. Zwar gibt es in der AfD offiziell einen Abgrenzungsbeschluss gegenüber der „Identitären Bewegung“ (IB), bis in die jüngste Zeit lassen sich allerdings durchaus Verquickungen ausmachen.
Und insbesondere bestünden bei der AfD und ihrer Präsenz im Bundestag und in den Landtagen schließlich zahlreiche Karrieremöglichkeiten für Personen aus diesem Milieu, erklärt der Journalist Martin Steinhagen. Die „Identitären“ würden sich zwar aus taktischen Gründen von der Neonazi-Szene abgrenzen, wichtige Kader kämen aber aus der extremen Rechten, wie der NPD-Jugendorganisationen und radikalen Burschenschaften, stammten aus völkischen Familien, hätten Lager der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ besucht.
Knallharte „Blut-und-Boden“-Ideologie
Mitgliedermäßig sind die IB zwar schwach aufgestellt, von geschätzten 400 Anhängern ließen sich etwa 100 Aktivisten ausmachen, heißt es. Die IB habe aber verstanden, wie PR-Marketing funktioniert, so Andreas Speit. Er warnt vor einer Verharmlosung dieser sich modern gerierenden Bewegung. Sie vertrete eine knallharte „Blut-und-Boden“-Ideologie mit dem Liberalismus als Hauptfeind, einer völligen Ablehnung der Menschenrechte, wolle ein Ende der Konsensgesellschaft. Im Hintergrund verortet Speit den neurechten Verleger Götz Kubitschek aus Schnellroda, der quasi als Motor für die Entwicklung der IB fungiere und seine Hände auch bei der Initiative „Ein Prozent“ im Spiel habe, die wiederum als zentrales Zentrum für die Bewegung wirke. Andreas Speit, der aktuell ein Buch „Das Netzwerk der Identitären – Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten“ veröffentlicht hat, geht von mehreren 10.000 Unterstützern für die IB aus.
Für den sächsischen SPD-Generalsekretär Henning Homann sind die rechten Netzwerke „offenbar und omnipräsent“. Personelle Verquickungen sieht der SPD-Politiker hier aber eher in Richtung AfD-Bundestagsfraktion. Die sächsische Landtagsfraktion (von 2014) sei für die heutige AfD nicht mehr repräsentativ, auch wenn ein Rechtsdrift bei den Abgeordneten, die er im Übrigen als eher faul einstuft, auszumachen sei. Drastischer ist die Situation in Österreich, dort trägt der parlamentarische Arm des rechten Netzwerks sogar Regierungsverantwortung, hält die Gewerkschaftssekretärin und Expertin Anna Bruckner fest. Den Kitt stellten hier die deutschnationalen Burschenschaften. Schließlich sind von den 51 FPÖ-Abgeordneten im Wiener Nationalrat 17 Burschenschafter.
FPÖ betreibt Politik der Entsolidarisierung
Die Gewerkschafterin übt harsche Kritik an der in Österreich mitregierenden FPÖ, die eine Politik der Entsolidarisierung auf dem Rücken der Schwächsten betreibe. Bruckner nennt es ein Märchen, dass sich die soziale Frage von rechts beantworten ließe. Und dies zeigt sich ja nicht zuletzt darin, dass die „Alternative für Deutschland“ gerade in dieser Frage zerstritten ist.
Der sächsische SPD-Politiker Homann sieht die soziale Frage so als Arbeitsauftrag an die SPD. AfD & Co. surften momentan zwar auf einer Erfolgswelle, aber sie hätten noch lange nicht gewonnen, wenn die eigenen Hausaufgaben gemacht würden. Er plädiert dafür, die AfD auch kulturell zu stellen. Einen Denkanstoß lieferte schließlich noch der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Der Ex-Chefredakteur des „vorwärts“ will die AfD mit ihrer Leugnung der menschengemachten Klimaerwärmung konfrontieren. Denn auch ein minimales Ansteigen bedeute schließlich noch deutlich mehr Flüchtlinge – und gerade die sind ja bei der AfD im höchsten Maße unerwünscht.