Radikalisierung live: Pegida hat den Schafspelz lange abgelegt
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Fast scheint es, als schaue kaum noch jemand hin, wenn sich – wie fast jeden Montagabend seit dem Herbst 2014 – tausende Menschen in der Innenstadt Dresdens versammeln und dort gegen die vermeintliche „Islamisierung des Abendlandes“ demonstrieren. Nachdem zunächst die Polizei auf die regelmäßige Erhebung der Teilnehmerzahlen bei Pegida verzichtete, kündigte selbiges nun auch die studentische Gruppe „Durchgezählt“ an. Das zahlenmäßig stark unterlegene No-Pegida-Bündnis „Nope“ vermag dem braunen Treiben schon lang nicht mehr wirklich etwas entgegensetzen - daran ändert auch ein spontaner Gastauftritt der „Toten Hosen“ nichts.
Elsässer bei Pegida: „Dumme Kartoffeln und Volksverräter“
Dabei zeigte der jüngste, von bis zu 4000 Menschen besuchte „Spaziergang“ von Pegida durch Dresden am vergangenen Montag: Die Gruppe hat sich nicht nur etabliert, sie radikalisiert sich zusehends. Dafür spricht unter anderem die wiederholte Einladung Martin Sellners als Redner – Sellner gilt als Anführer der in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung. Aber auch die Aussagen des Herausgebers der neurechten Zeitschrift „Compact“, Jürgen Elsässer, sind Ausdruck des offenen Schulterschlusses zwischen Pegida-Anhängern und Kräften der extremen Rechten.
Elsässer, der genau wie Sellner bereits mehrfach auf Einladung von Pegida in Dresden aufgetreten war, nutzte die ihm gebotene Bühne unter anderem zur Beleidigung des politischen Gegners. Die Grünen-Spitzenfrau Katrin Göring-Eckert nannte er eine „dumme Kartoffel“. Mit Bezug auf den Oberbürgermeister Dresdens, Dirk Hilbert, sprach er unter dem Gejohle seiner Zuhörer von einem „Volksverräter“. Hilbert habe mit seiner Aussage „Dresden war keine unschuldige Stadt“ auf die Gräber der Toten gespuckt, sagte Elsässer und ging nahtlos dazu über, „unseren Björn Höcke“ ausdrücklich zu loben.
Aus „Merkel muss weg“ wird „Petry muss weg“
Dieser sei mit seiner Dresdner Rede zwar „über das Ziel hinausgeschossen“, seine Frage „Warum haben eigentlich nur wir so ein Denkmal in unserer Hauptstadt?“ sei aber berechtigt. „Wo ist das Denkmal für die ermordeten Dresdner in London?“, fragte Elsässer wenig später und bezog sich wohl bewusst auf Aussagen der rechtsextremen NPD, deren Vertreter die Bombardierung Dresdens am Ende des Zweiten Weltkrieges in der Vergangenheit als „Bombenholocaust“ bezeichnet hatten. „Das Denkmal der Schande steht hier in Dresden mit den Bussen, das ist das Denkmal der Schande“, rief Elsässer mit Bezug auf die von Beginn an umstrittene Installation vor der Dresdner Frauenkirche.
Kein Zweifel besteht für Elsässer daran, dass AfD und „Bewegungen“ zusammenhalten müssen. „Schluss mit Ausgrenzeritis“, forderte Elsässer und ergänzte: „Das muss auch die mutigen Kämpfer der Identitären Bewegung – unsere Zukunftshoffnung – einschließen.“ Die „Streitereien in der AfD-Spitze“ müssten aufhören, Parteichefin Frauke Petry müsse „den Laden zusammenhalten“. Die zögerlich aufkommenden „Petry muss weg“-Rufe hatte Elsässer bereits zuvor mit der Forderung angeheizt, der Dresdner Richter Jens Maier solle Oppositionsführer im Bundestag werden. Zur Erinnerung: Den Beschluss zur Aufnahme eines Partei-Ausschlussverfahren gegen Maier wegen dessen Aussagen am Abend der Dresdner Rede Björn Höckes war auf dem Parteitag der Sachsen-AfD mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Angeregt hatte das Verfahren unter anderem Maiers direkte Konkurrentin – Frauke Petry.
Gegen das „morsche, volksfeindliche Regime“
Elsässer wiederum, der sich zum Ende seiner Rede zu der Aussage „die BRD ist nicht Deutschland, die BRD ist eine Schrumpfform von Deutschland“ verstieg, forderte unter Rufen wie „Widerstand“ und „Abschieben“ eine Rückkehr zum „guten alten Deutschland“. Er schloss seine Rede mit dem Aufruf, das „morsche, volksfeindliche Regime“ zusammenbrechen zu lassen.