„Querfront“ im Internet: Mit Putin für mehr Pressefreiheit?
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Für sein Buch „Rechte Hetze im Netz – Eine unterschätzte Gefahr“ hat der Journalist Patrick Gensing den rechten Rand im Internet untersucht. Gefunden hat er eine digitale Parallelgesellschaft, in der politische Argumente nichts zählen. Was nicht in die eigene Weltsicht passt, wird passend gemacht – über Verschwörungslegenden und „glasklares Freund-Feind-Denken“. Die einschlägigen Internetforen, so der Rechtsextremismus-Experte, werden dabei „zu fanatischen Meinungsfestungen, zu Trutzburgen der Irrationalität ausgebaut“.
„Filterblase als Wohlfühloase“
In diesen Filterblasen nehme die Radikalisierung ihren Lauf, schreibt der ehemalige Publikative-Redakteur Gensing. Menschenverachtung bleibe dort nicht nur unwidersprochen, sondern sei „absoluter Standard“. Die sozialen Netzwerke seien die „ideale Waffe der extremen Rechten“. Vor allem beim Thema „Asyl“ geht es rund in den Kommentarspalten: Viele befürchten einen angeblich „Volksaustausch“ durch Zuwanderung und bestehen auf dem eigenen, exklusiven Anspruch, „das Volk“ zu sein.
Die Anzahl der „Likes“ auf den einschlägigen Seiten spricht für sich: Während SPD, CDU und Grüne bei Facebook kaum mehr als jeweils 100.000 „Gefällt mir“-Angaben verbuchen können, schießen die Klicks bei den Rechten durch die Decke. Zum Beispiel bei der NPD: Gerade mal rund 5.200 Mitglieder hat die Neonazi-Partei, dafür aber bei Facebook über 160.000 „Likes“. Auch für die AfD läuft es gut im Netz – rund eine viertel Million Facebook-Nutzer haben bei den Rechtspopulisten bereits auf „Daumen hoch“ geklickt.
„Neurechte für Eurasien“
„Autoritär und nationalistisch“ sei die neue Bewegung im Netz, analysiert Gensing. „Ganz ähnlich kann man Putins Regierungstil beschreiben“, heißt es in seinem Buch weiter. Es gebe bei den deutschen Rechten viel Bewunderung für Putins „autoritären Politikstil und sein kompromissloses Vorgehen“.
Beim Thema „Russland“ kooperiere die Neue Rechte sogar mit Aktivisten aus dem linken Spektrum, zum Beispiel im Münchner „Zentrum für Kontinentale Zusammenarbeit“. Die rechte NGO arbeite nicht nur mit der rassistischen „Identitären Bewegung“ aus Österreich und Jürgen Elsässers „Compact“-Magazin zusammen. Mit ihrem Mitglied Tobias Nase, einem Aktivisten der „Antiimperialistischen Aktion“, wolle die Münchner Organisation „offenbar auch eine linksdogmatische Klientel ansprechen“. Unter dem Deckmantel des vermeintlichen „Antiimperialismus“ scheint im Netz eine neue „Querfront“ zu entstehen, ein Bündnis aus rechts und links, vereint in „antiamerikanischen Ressentiments“ – mit Wladimir Putin als neuem Helden.
Pro Putin, pro Pressefreiheit?
Dass der russische Präsident in der Ukraine imperialistisch agiert, scheint seine Fans nicht zu stören. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Putin nicht gerade ein Freund der freien Presse ist. Die Meinungsfreiheit ist trotzdem ein zentrales Thema in der rechten Online-Community, wie Patrick Gensing zeigt.
Besonders beliebt in diesen Kreisen ist der pauschale Vorwurf der „Lügenpresse“. Als Alternative zu den sogenannten Mainstream-Medien bedienen sich die rechten Internet-Nutzer beim Kopp-Verlag oder den Büchern Thilo Sarrazins. Das Geschäftmodell der rechtspopulistischen Publizisten: „den Eindruck zu vermitteln, sie dürften ihre Meinung nicht frei äußern.“ Deshalb kommen Sarrazin und Co. so gut an bei den Verschwörungstheoretikern im Netz. Gefährlich ist das, wie Gensings Buch zeigt. Oft genug folgen auf den Online-Hass echte Gewalttaten in der realen Welt – wenn aus bloßen Worten plötzlich „Brandsätze“ werden, wie Patrick Gensing in seinem neuen Buch schreibt.
Patrick Gensing: „Rechte Hetze im Netz – Eine unterschätzte Gefahr“, rowohlt rotation, E-Book, 1,99 Euro, ISBN 978-3-644-00002-5
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.