Pannen bei NSU-Ermittlungen: Kritik der SPD wird schärfer
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Nach neuen Berichten über Versäumnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) im Fall „Corelli“ wird die Kritik der SPD schärfer. Am Rande der Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am Mittwoch erklärte SPD-Obmann Uli Grötsch: „Die Hoffnung darauf, in dieser Woche von neuen Nachrichten aus dem Verfassungsschutz verschont zu bleiben, die den Fall Corelli weiter verkomplizieren, sind leider enttäuscht worden.“ Zuvor hatte der vom Bundesinnenministerium eingesetzte Sonderermittler Reinhard Rupprecht die Mitglieder des Ausschusses zuvor darüber informiert, dass eine „wesentlich höhere Zahl von Mobiltelefonen“ aufgetaucht sei, die im Zusammenhang mit dem ehemaligen V-Mann „Corelli“ stehen, als bislang bekannt.
Scharfe Kritik der SPD-Vertreter am Verfassungsschutz
Darüber hinaus habe der als geheim eingestufte Bericht Rupprechts „viele erhebliche Mängel“ im Dienstablauf des BfV zutage gefördert, so Grötsch. Susann Rüthrich, die ebenfalls für die SPD im NSU-Untersuchungsausschuss sitzt, sagte vor dem Hintergrund des Rupprecht-Berichts, es sei „verwunderlich, dass man so arbeiten kann“. Nach ihren Verständnis „ist Dienst- und Fachaufsicht etwas anderes“, als es der Verfassungsschutz im Fall „Corelli“ geleistet habe.
Rüthrich und Grötsch lehnten es ab, die Verantwortung für die Versäumnisse allein Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen zuzuschieben. „Meiner Ansicht nach kann das Fehlverhalten nicht an einer Person allein festgemacht werden“, so Rüthrich. Grötsch sieht die Verantwortung bei Bundesinnenminister Thomas de Maizière und erklärte: „Der muss jetzt in seinem Haus sehen, inwieweit man das hinnehmen kann, was sich dort alles abgespielt hat.“
Hatte „Corelli“ Kontakt zum NSU?
Anlass für die Kritik dürften neben dem Rupprecht-Bericht Recherchen der tageszeitung „taz“ sein, wonach der frühere V-Mann „Corelli“ – ein im Jahr 2014 verstorbener Neonazi namens Thomas Richter – ein vom Verfassungsschutz ausgewertetes Handy deutlich länger in Benutzung hatte, als vom BfV behauptet. Dem „taz“-Bericht zufolge könnte Richter das Telefon sogar über den gesamten Zeitraum benutzt haben, in dem der NSU untergetaucht war.
Der Verfassungsschutz dagegen hatte nach dem überraschenden Auftauchen des Handys im Juli 2015 erklärt, Richter alias „Corelli“ habe das Telefon lediglich zwischen Mai und September 2012, also lange nach der Selbstenttarnung des NSU, genutzt. Eine Relevanz des Handys für die Aufklärung der Frage, inwiefern „Correli“ Kontakt zum NSU-Trio hatte, verneinte das BfV damals.
Der „Tagesspiegel“ berichtet zudem, dass „Corellis“ V-Mann-Führer 23 Handys mutmaßlich zur Kommunikation mit dem V-Mann gebunkert hatte, ohne dass seine Vorgesetzten darüber Bescheid gewusst hätten. Bisher war lediglich von sieben Handys die Rede gewesen. Die Auswertung der Telefone sei im Gange.