Neue FES-Studie: Zustimmung zur Demokratie in Ostdeutschland sinkt
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Zuletzt hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 2019 die Zustimmung zur Demokratie in einer Studie untersucht. Seitdem ist viel passiert – die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, Inflation und steigende Energiepreise haben viele Menschen umgetrieben und teilweise zu größeren Demonstrationen geführt. Dennoch ist die Zufriedenheit der Menschen in Deutschland damit, wie die Demokratie hierzulande funktioniert, stabil geblieben und insgesamt sogar leicht auf nun 48,7 Prozent gestiegen.
Martin Schulz: „Wir sind noch nicht in einer Demokratiekrise“
„2023 ist ein Krisenjahr, aber wir sind noch nicht in einer Demokratiekrise. Wir sollten auch nicht in eine kommen. Die Studie kann uns dabei helfen, Erkenntnisse zu gewinnen, wie wir es vermeiden, in eine Krise hineinzurutschen“, kommentierte Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, die Ergebnisse der Studie in einem auf Youtube veröffentlichten Video. Demnach sind 49 Prozent der Bürger*innen in Deutschland mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden – zwei Prozentpunkte mehr als bei der vorangegangenen Studie im Jahr 2019.
Allerdings gibt es regionale Unterschiede. So ist die Zustimmung in den ostdeutschen Bundesländern um zwei Prozentpunkte auf nur noch gut ein Drittel der Bevölkerung gesunken, während sie im restlichen Teil Deutschlands angewachsen ist. Auch in Bezug auf Einkommen, Bildung und den sozialen Status der Befragten gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. Menschen, denen es ökonomisch schlechter geht, sind wesentlich unzufriedener.
Höhere Zufriedenheit in der Ober- und Mittelschicht
„Es sind doppelt so viele aus der Ober- und Mittelschicht mit der Demokratie zufrieden wie aus der Unter- oder Arbeiterschicht. Gerade diese Teile fürchten, vom Wohlstand noch weiter abgekoppelt zu werden. Sie fühlen sich nicht fair beteiligt und sie machen die Politik dafür verantwortlich“, erklärte Frank Decker, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn, der an der Erhebung der Studie beteiligt war.
Zugleich ergab die Studie, dass die repräsentative Demokratie insgesamt an Zustimmung verliert. Nur noch ein Viertel der Befragten halten sie demnach für das beste Regierungsmodell. Martin Schulz wertete die Studie daher als Ganzes als „Ausdruck einer tiefen Verunsicherung“. Der frühere SPD-Vorsitzende meinte dazu: „Die Veränderungsprozesse gingen früher über Jahrzehnte. Sie gehen jetzt über Jahre, manchmal über Monate.“ Insofern habe die Herausforderung für Menschen, sich kurzfristig immer wieder auf neue Herausforderungen umzustellen, zugenommen. Das führe laut Schulz zu Verunsicherung.
Antworten statt leere Versprechungen
Laut der Studie wünschen sich 41 Prozent der Menschen, dass über Gesetze in Volksabstimmungen entschieden wird. Auch die Zustimmung zu einer sogenannten Expertokratie ist auf 33 Prozent gestiegen. Dies würde bedeuten, die Entscheidung über wichtige politische Fragen Expert*innen zu überlassen. Eine Idee, um die Zustimmung zur Demokratie zu verbessern, ist die Einführung eines „legislativen Fußabdrucks“, mit dem transparent gemacht würde, welche Entscheidungsträger*innen an einem Gesetzgebungsprozess beteiligt waren. 82 Prozent der Befragten befürworten diese Idee.
Die Antwort auf die durch die Studie spürbare Verunsicherung der Menschen dürften laut Martin Schulz keine leeren Versprechungen sein. „Die Aufgabe von Politik ist nicht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Man muss den Leuten auch sagen, dass auch wir als Politiker herausgefordert sind, aber wir sind, wenn wir es wollen und wenn wir zusammenhalten, in der Lage jede Herausforderung zu meistern“, sagte er.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo