Neonazi-Aussteiger: „Die AfD hat eine Lücke zwischen CDU und NPD besetzt“
Sie waren sechs Jahre als Nazi aktiv. 2011 sind Sie ausgestiegen. Wie erleben Sie die rechte Szene heute?
Mit der rechten Szene geht es bergauf. Im Zusammenspiel mit der Neuen Rechten, der AfD, den Identitären und nationalpolitischen Strömungen ist die Szene in öffentlichen Räumen präsenter geworden.
Was macht die AfD anders als die NPD zu Ihrer Zeit?
Die AfD hat den Vorteil, dass sie nicht das Stigma der NPD zu tragen hat. Sie hat zudem eine Leerstelle zwischen der CDU und der NPD besetzt und auf den weithin positiv aufgenommenen Thesen von Thilo Sarrazin aufgebaut. Die Migrationsgeschehnisse 2015 haben die AfD zusätzlich gepusht. Sie hat zudem auf einer medientheoretischen Ebene sehr clever agiert und sehr gut verstanden, wie die ökonomischen Bedingungen des heutigen Online-Journalismus funktionieren. Nicht alle, die die AfD wählen, sind fremdenfeindliche Vollidioten, aber sie nehmen die rassistischen Tendenzen der Partei hin, weil sie sich von den etablierten Parteien enttäuscht fühlen. Da gibt es leider kein linkes Gegenprojekt.
Wie groß ist die Gefahr, wenn man sich anschaut, dass die AfD in Ostdeutschland in Umfragen stärkste Kraft ist?
Ähnlich wie bei den Entwicklungen in Polen, Ungarn oder den USA würde die AfD versuchen, den Rechtsstaat zu unterwandern. Durch den Erfolg der AfD gibt es viele staatliche Gelder für Strukturen, die offen völkisch und rassistisch sind. Es gibt den Versuch von Steve Bannon, rechte Bewegungen zu versammeln. Es gibt eine faschistische Regierung in Italien. Das sind erschreckende Tatsachen, die dazu beigetragen haben, den Diskurs nach rechts zu verschieben.
Könnte eine linkere Politik ein Mittel gegen die AfD sein?
Nur wenn diese Politik so basisdemokratisch funktioniert, wie das in Spanien eine Zeit lang der Fall war. Dort haben sich Bewegungen gebildet, die sich solidarisch positioniert haben. So etwas Ähnliches könnte man auch in Deutschland erreichen, beispielsweise durch die Auflösung aller Sammelunterkünfte für Geflüchtete. Im Osten gibt es sehr viel Leerstand. Man sollte die Geflüchteten genau dort hinschicken, damit sie mit den Deutschen zusammen die Städte wieder aufbauen, die seit der Wende ihren stetigen Zerfall beklagen.
Könnte das Konflikte nicht auch verschärfen?
Eben nicht. Dort wo sich Leute aktiv mit Geflüchteten im Alltag ohne Gitterzäune auseinandergesetzt haben, hat die Willkommenskultur funktioniert. Das war aber keine Einbahnstraße, sondern da haben sich auch die Deutschen angepasst, Arabisch gelernt und Hummus gegessen. Das wäre auch im Osten möglich. Man müsste den Menschen nur zeigen, dass Geflüchtete keine Bedrohung für sie sind, sondern eine Chance zur Verbesserung der eigenen Lebensverhältnisse.
Sollte man mit Rechten diskutieren?
Mit Rechten zu reden ist nur sinnvoll, wenn man den Leuten dadurch keine Bühne zur Selbstdarstellung bietet. Wenn man Menschen im privaten Kontext mit etwas konfrontiert, kommt ein Gespräch zustande, in dem man die Person unter Umständen noch erreichen kann. Das findet nicht statt, wenn Leute wie bei der AfD oder den Identitären geschult sind, auf Argumente in einer ganz bestimmten Weise zu reagieren. Da geht es nie darum, ernsthaft Argumente auszutauschen. Das sieht man bei Trump, bei Orbán und bei der AfD. Deswegen ist es nicht notwendig, Leute aus der AfD einzuladen und ihnen eine Plattform zu bieten.
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo