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Nach Poggenburg-Rede: Empörung ohne Konsequenzen

„Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ nannte AfD-Landeschef André Poggenburg in Deutschland lebende Türken und erntet dafür jede Menge Widerspruch. Schaden wird ihm die Empörung nicht - im Gegenteil.
von Robert Kiesel · 15. Februar 2018
AfD und Compact
AfD und Compact

Kommentar

Und sie dreht sich wieder, die Empörungsspirale nach einem Tabubruch aus den Reihen der AfD. Auslöser ist deren jüngste Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch bei Pirna. Beobachter hatten das in jeder Hinsicht aufgeputschte Treiben in blecherner Halle auf matschigem Acker als Geburtsstunde einer neuen Achse innerhalb der Partei bezeichnet. Unstrittig ist: Die Partei driftet, angeführt von ihren ostdeutschen Landesverbänden, mehr und mehr ins rechtsradikale Lager.

Empörung ist Trumpf

Mit André Poggenburg hatte diesmal der Chef der AfD in Sachsen-Anhalt zum Sturm in die Nachrichtenspalten der von seinen Zuhörern als „Lügenpresse“ geschmähten Medien geblasen. Poggenburg zählt, genau wie die ebenfalls als Redner geladenen Björn Höcke und Andreas Kalbitz, zum rechtsnationalen Flügel der Partei. Die Klaviatur von Empörung und Distanzierung beherrscht er spielend.

Mit seinen Aussagen über „Kameltreiber“ und „Kümmelhändler“ der Türkischen Gemeinde in Deutschland gelang ihm – aus AfD-Sicht – ein doppelter Erfolg: Erstens debattiert die Nation bis hin zu ihrem obersten Repräsentanten Frank-Walter Steinmeier Poggenburgs Äußerungen und erhöht deren Reichweite so um ein Vielfaches. Zweitens stärkt die Beleidigung von Deutsch-Türken die Identifikation der AfD-Anhänger mit ihrer Partei – zumindest im Osten der Republik – weiter. Die nämlich wählen die AfD nicht trotz Äußerungen wie der von Poggenburg. Sie wählen sie genau deshalb! Auch die Forderung nach Überwachung der Partei durch den Verfassungsschutz wird daran nichts ändern:

Applaus für Gewaltaufrufe

Anhaltspunkte dafür liefern nicht nur wissenschaftliche Untersuchungen wie die regelmäßigen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, die vor allem in den neuen Bundesländern erschreckende Ausmaße an Fremdenfeindlichkeit belegen. Sie zeigen sich vor allem dann, wenn sich Mitglieder und Anhänger der Rechtsaußen-Partei unter sich wähnen – so wie jetzt in Nentmannsdorf. Frei von „Zensur“ und „Meinungsdiktatur“, die sie unter anderem durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz repräsentiert sehen. Nicht ohne Grund will Jens Maier, seines Zeichens Jurist, den Straftatbestand der Volksverhetzung am liebsten abschaffen.

Im geschützten Raum jedenfalls wird Klartext gesprochen. Passenderweise hat die AfD im Kreis Osterzgebirge-Sächsische Schweiz ihr Gesprächsformat genau so genannt. Zuletzt beklatschten die Gäste der „Klartext“-Runde frenetisch das Vorgehen einer Gruppe von Männern, die einen politischen Gegner geschlagen, getreten und am Boden liegend bespuckt hatten. Nicht nur der Saal johlte, auch die drei anwesenden Bundestagsabgeordneten widersprachen nicht. Das ist die Tonlage, auf der AfD-Funktionäre und ihre Anhänger in der selbsternannten Herzkammer der Partei miteinander harmonieren.

Konsequenzen? Fehlanzeige!

Insofern sollten auch die nun aufkommenden Distanzierungen von Poggenburg, unter anderem aus dem Berliner AfD-Landesverband und von Parteichef Jörg Meuthen, nicht überbewertet werden. Von einer drohenden Spaltung ist die Partei ebenso weit entfernt wie von der Aussicht, in Hessen oder Bayern den Einzug in die beiden noch ausstehenden Landesparlamente zu verpassen. Schließlich wurden beide Akte des eingeübten Schauspiels – der kalkulierte Tabubruch und die öffentliche Distanzierung – in der Vergangenheit häufig genug aufgeführt.

Passiert ist wenig. Die jeweils mit Parteiausschlussverfahren konfrontierten Rechtsausleger Björn Höcke und Jens Maier sind weiterhin Teil der Partei und sitzen – folgt man der Stimmung an der Basis – fester im Sattel als je zuvor. André Poggenburg, neben AfD-MeckPomm-Chef Leif-Erik Holm der einzige Vorsitzende eines Ost-Landesverbandes der AfD mit DDR-Biografie, dürfte es da kaum anders ergehen.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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