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Nach Gauland-Attacke auf Özoğuz: In der „Tabu-Falle“ der AfD

Der gezielte Tabubruch zählt bei der AfD zur erklärten Wahlkampfstrategie. Der Fall Özoğuz zeigt: Ein allgemeiner Aufschrei nutzt am Ende den Falschen. Gefragt sind eigene Themen und die inhaltliche Konfrontation.
von Robert Kiesel · 28. August 2017
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Sie hat wieder zugeschnappt: Die Tabu-Falle, mit der Rechtspopulisten im Allgemeinen und Politiker der AfD im Besonderen Medien und Öffentlichkeit erst anlocken, um sich später an deren Aufmerksamkeit regelrecht zu laben. Dass mit Alexander Gauland diesmal der erfahrenste Politiker einer noch immer relativ jungen Partei den Köder auswarf, darf niemanden ernsthaft überraschen. Gauland ist seit Jahrzehnten auf der politischen Bühne unterwegs, war darüber hinaus 14 Jahre lang Herausgeber der „Märkische Allgemeinen Zeitung“ (MAZ). Wenn einer weiß, wie Schlagzeilen gemacht werden, dann er.

Ohne „Lügenpresse“ geht nichts

Der medialen Erschütterung, die seine Aussage in Richtung Staatsministerin Aydan Özoğuz auslösen würde, war sich Gauland dementsprechend bewusst. Mehr noch, er hat sie fest einkalkuliert. Einem beinahe Unfall gleicht es da, dass außer der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zunächst niemand über Gaulands Wortwahl während einer Veranstaltung im thüringischen Eichsfeld zu berichten wusste. Ohne Journalisten keine Schlagzeile, diese von der vermeintlich mit der „Lügenpresse“ auf Kriegsfuß stehenden AfD auf perfide Weise genutzte Logik hätte beinahe nicht gegriffen.

So aber geschah, was immer passiert in solchen Fällen: Ob „Schießbefehl“, „erinnerungspolitische Wende“ oder „Merkels Tote“ - die AfD haut einen raus und alle springen drauf an. Vier Wochen vor der Bundestagswahl gelang es der in Umfragen bei rund zehn Prozent stehenden AfD so einmal mehr, die bundespolitische Berichterstattung zu dominieren. Das TV-Fernduell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem wahlkämpfenden SPD-Herausforderer Martin Schulz ging im allgemeinen „Gauland-Özoğuz-Strudel“ beinahe unter.

Profil durch Provokation

Das eigentliche Problem aus Sicht der politischen Konkurrenz: Die breite Berichterstattung über selbst extreme Tabubrüche schaden der AfD nicht, im Gegenteil. Nicht umsonst hatten ihre Strategen schon im Dezember des vergangenen Jahres und damit lange vor Beginn des Bundestagswahlkampfes ein Strategiepapier entwickelt, dass „sorgfältig geplante Provokationen“ explizit vorsah – ja forderte. Je mehr die AfD von den anderen Parteien stigmatisiert werde, „desto positiver ist das für das Profil der Partei“, hieß es in dem Papier weiter. Die Umsetzung dessen erleben wir am Fall Özoguz.

Während sich auch in der SPD unzählige Reaktionen finden, die - nur allzu verständlich - von Wut, Empörung und Sorge getrieben sind, müssen sich auch die Sozialdemokraten bewusst machen: Das Wählerpotential, welches Aussagen wie die jüngste von Gauland in Richtung Özoguz goutiert, ist größer als die zehn Prozent Zustimmung, die der AfD in aktuellen Umfragen attestiert werden. Der Aussage, „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet“, stimmten in der jüngsten „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung 18,1 Prozent der Befragten „überwiegend“ oder „voll und ganz“ zu – weitere 13 Prozent zeigten sich unentschieden. Dass Gaulands Äußerungen diese Menschen davon abschreckt, ihr Kreuz bei der AfD zu machen, darf bezweifelt werden.

Inhaltliche Konfrontation versus Krawall

Die Strategie aller Demokraten kann dementsprechend nur darin bestehen, der AfD ihrerseits Fallen zu stellen - inhaltlich, sachlich, souverän. Sie an zentralen Punkten ihrer eigenen Programmatik hart und konsequent anzugreifen, Lücken in der Argumentation schonungslos aufzudecken und die Finger in die Wunde zu legen, kann dabei helfen. Unterbleibt das, sind die Rollen auch zukünftig klar verteilt: Hier die ängstlichen Kaninchen, dort die hungrige Schlange.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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