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Mögliche Neuwahlen: Welche Strategie gibt es gegen die AfD?

Die AfD ist nicht unbedingt die Partei der sozial Schwachen, zeigt eine aktuelle Studie. Armut und Arbeitslosigkeit spielen bei ihren Anhängern eine untergeordnete Rolle. Die Ursachen für die Wut der AfD-Fans liegen woanders. Was kann die SPD daraus lernen?
von Paul Starzmann · 21. November 2017
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„Der Wahlerfolg der AfD ist eine ernste Herausforderung für die Demokraten“, sagt der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Der frühere SPD-Politiker sitzt im Büro der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin und kommentiert eine aktuelle Studie über die AfD. Es geht um die Frage, warum bei der Bundestagswahl 2017 so viele Menschen ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten gemacht haben. Seit einigen Tagen hat die Antwort auf diese Frage wieder an Brisanz gewonnen. Denn: Möglicherweise kommt es bald zu Neuwahlen – und so vielleicht zum nächsten Wahlerfolg für die AfD?

Warum wählen Menschen die AfD?

In den vergangenen Monaten wurde viel darüber geschrieben, aus welchen Gründen Menschen zum Rechtspopulismus tendieren. Sind es die sozial Benachteiligten, die Arbeitslosen und Prekären, die überdurchschnittlich rechts außen wählen? Die Antwort: Nicht unbedingt. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Demokratiefreie Räume?“ des Jenaer Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ). Die soziale Lage der Wähler sei nur einer von vielen sozialen Faktoren hinter dem Erfolg der AfD, heißt es darin. Das sieht auch Wolfgang Thierse so: „Eine einseitige Ursachenanalyse reicht nicht aus.“

Christoph Richter, einer der Autoren der Studie erklärt, dass die AfD bei der Bundestagswahl zwar in ärmeren Gegenden besonders viele Wähler gewinnen konnte. Allerdings haben die Rechtspopulisten auch in Wahlkreisen mit mittleren und höheren Durchschnittseinkommen relativ viel Zustimmung erhalten. Es sind also nicht ausschließlich wirtschaftliche Gründe, die Menschen in die Arme der Rechten treiben.

AfD tritt in die Fußstapfen der NPD

Eine wichtigere Rolle spiele die „politisch-kulturelle Dimension“, sagt Richter. Gemeint ist: Die AfD ziehe nicht so sehr die wirtschaftlich Abgehängten an, sondern eher die kulturell Entkoppelten, die sich schon vor Jahren aus der demokratischen Gesellschaft zurückgezogen haben. Zum Beispiel in traditionellen NPD-Hochburgen: Überall dort, wo die Neonazi-Partei bislang viele Stimmen erhalten habe, könne jetzt die AfD Erfolge verbuchen, heißt es in der Studie.

Etwa im sächsischen Osterzgebirge, wo die NPD 2013 rund fünf Prozent der Zweitstimmen holte. Bei der Bundestagswahl 2017 erzielte die AfD dort mit rund 35 Prozent ihr bundesweit bestes Ergebnis. „Das zeigt, dass es anscheinend nicht gelungen ist, die NPD einzuhegen“, sagt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. Im Gegenteil: Die AfD habe sogar Teile des NPD-Programms übernommen. Die Rechtspopulisten treten also in die Fußstapfen der Neonazis.

Die Linke und der Heimatbegriff

„Die NPD hat der AfD den Weg geebnet“, sagt Matthias Quent, Leiter des IDZ. Aber auch ehemalige Nichtwähler habe die AfD für die Bundestagswahl überdurchschnittlich mobilisieren können, so Quent. Häufig seien die Menschen „eher demokratiefern als rechts“. Ein kulturelles Problem, das über lange Zeit gewachsen sei, wie Christoph Richter unterstreicht. Die „Flüchtlingskrise“ von 2015 sei nur Anlass für den Rechtsruck im Land gewesen, die Abkehr vieler Menschen von der Demokratie habe schon viel früher begonnen. „Wir wünschen uns, dass darüber mehr gesprochen wird“, so Richter.

Auch Wolfgang Thierse betont die kulturelle Komponente, die Menschen häufig zu AfD-Wähler werden lasse. Seine Partei müsse sich damit unbedingt auseinandersetzen, findet der ehemalige SPD-Politiker. „Wenn wir über Kultur reden, müssen wir über viel mehr reden“, fordert er. Zum Beispiel dürfe die gesellschaftliche Linke „den Begriff Heimat nicht allzu flott verächtlich machen“.

Thierse: SPD muss Land und Leute lieben

Um die richtigen Strategien gegen rechts zu entwickeln, müsse ein guter Mittelweg gefunden werden, so Thierse. Die AfD dürfe nicht als normale Partei anerkannt werden. „Wir dürfen aber auch nicht in Hysterie verfallen.“ Dabei müsse die Politik auf die „allgemeine Verunsicherung“ in der Gesellschaft eingehen – auf die weit verbreitete Angst vor dem sozialen Abstieg etwa. Es sei vielleicht etwas hochgegriffen und „pathetisch“, gesteht Wolfgang Thierse ein. Doch er scheint es ernst zu meinen, als er sagt: „Die SPD muss zeigen, dass sie Land und Leute liebt.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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