Mike Schubert in Potsdam: Mit Vernunft gegen die Corona-Proteste
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„Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut in unserem Land“, sagt Mike Schubert. „Solange man sich an die Vorgaben hält, ist gegen eine Demonstration an sich nichts zu sagen.“ Was die Vorgaben sind, ist dabei für den Potsdamer Oberbürgermeister in Zeiten der Pandemie allerdings klar: Versammlungen anmelden, untereinander Abstand halten, Maske tragen. „Mit den Inhalten muss man sich auseinandersetzen.“
Das ist der eine Unterschied, den der Sozialdemokrat macht. Als sich in Brandenburgs Hauptstadt Menschen versammelten, die unangemeldet bis zum Rathaus „spazieren“ wollten, setzte er mit der Polizei geltendes Recht durch und verhinderte eine Versammlung. Da pocht Schubert auf seine Funktion als Verwaltungschef und letztendlich ist er auch verpflichtet, in Abstimmung mit der Polizei Recht und Ordnung im Sinne des Versammlungsgesetzes durchzusetzen.
Gegenwehr aus der Zivilgesellschaft
„Aber da wohnen natürlich auch zwei Herzen in meiner Brust“, ergänzt er. Trotz Pandemie nahm Schubert an angemeldeten Gegenprotesten teil, er ist qua Amt Vorsitzender des Bündnisses „Potsdam! bekennt Farbe“, das in der Stadt unter anderem mit Kerzenlichtern der Coronaopfer gedachte und sich so gegen den Aufmarsch der Coronaleugner*innen und positionierte. „Wir wollten reagieren“, sagt Schubert. Es bleibe aber natürlich das Dilemma: „Wenn wir auf der einen Seite alle Kontakte reduzieren wollen, können wir auf der anderen keine großen Demonstrationszüge durchführen.“
In Potsdam hielten sich die Teilnahmezahlen von Protesten und Gegenprotesten derzeit die Waage, worüber Schubert grundsätzlich froh ist. Das ist aber längst nicht in allen Städten so, in denen sich derzeit Menschen versammeln, marschieren, protestieren und teils gewaltsam gegen Ordnungskräfte und Journalist*innen vorgehen.
„Man muss nicht mit Rechtsradikalen marschieren.“
Wer dort mitmarschiert oder demonstriert, sei nicht gleich rechtsradikal, schränkt Schubert ein. „Diese Maßnahmen während der Pandemie sind ja Eingriffe in die persönliche Freiheit und betreffen unsere Grundrechte “, äußert er im Gespräch mit dem „vorwärts“ Verständnis. Den Bürger*innen, die deswegen auf die Straße gehen, ruft er allerdings auch zu: „Man muss nicht mit Reichsbürgern und Rechtsradikalen marschieren, um seine Meinung dazu zu äußern.“
Aber natürlich treibt der Umgang mit dieser Art von Protesten und Aufmärschen die Bürgermeister*innen um. Schubert weiß von anderen Städten, die während der „Spaziergänge“ die Beleuchtung in den Innenstädten abschalteten und andere kreative Protestformen ausprobieren.
Schubert: „Nichts mehr sagen? Das ist keine Alternative.“
Sorge machen Schubert die zunehmenden Drohungen aus dem rechten Spektrum gegen ihn oder andere Amtsinhaber*innen: „Was gibt es denn tatsächlich für Alternativen? Sich einschüchtern lassen? Nichts mehr sagen? Das ist keine Alternative. Dann kann ich aufhören politisch gestaltend tätig zu werden.“
Dass Wut und Hass zugenommen haben, vor allem verbal, sowohl auf der Straße als auch im Internet, will Mike Schubert weder auf die Belastungen in der Corona-Pandemie noch auf die Sozialen Medien allein schieben. „Die Verrohung der Kommunikation hat deutlich zugenommen in den vergangenen Jahren.“ Man müsse sich grundsätzlich über Umgangsformen in der Gesellschaft und Regeln in der Kommunikation unterhalten und klar machen, wo es Grenzen gebe, ist der Potsdamer Oberbürgermeister überzeugt.
Wie sich die Situation insgesamt weiterentwickelt, ob und wie es mit den Demonstrationen auf der Straße weitergeht, darüber will Schubert allerdings nicht mutmaßen: „Ich habe mir in der Corona-Pandemie abgewöhnt, in die Glaskugel zu gucken. Es hängt ja stark vom Infektionsverlauf und den Maßnahmen ab, wie sich die Proteste und die Lage entwickeln.“