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„Migrantenschreck“: Wächst jetzt der Druck auf die Waffenhändler?

Rechte Hetze, illegaler Waffenhandel, Aufruf zur Gewalt – im November berichtete vorwärts.de über den Waffendealer „Migrantenschreck“. In der Folge griffen mehrere Medien die Geschichte auf – seither ist etwas Bewegung in den Fall gekommen.
von Paul Starzmann · 13. Dezember 2016

Das Geschäft läuft schon seit mindestens einem halben Jahr: Auf einer Webseite mit dem Titel „Migrantenschreck“ bieten Waffenhändler illegale Schusswaffen an – Revolver, Pistolen, Gewehre. Diese verschießen zwar Plastikkugeln statt scharfer Munition; mit bis zu 120 Joule Mündungsenergie sind die Geschosse jedoch lebensgefährlich – und daher in Deutschland verboten. Als wenn das noch nicht genug wäre, empfehlen die Betreiber der Webseite explizit, die Schusswaffen gegen Flüchtlinge und politische Gegner einzusetzen.

„Migrantenschreck“: Hunderte Bestellungen aus Deutschland

Die Seite richtet sich speziell an ein deutschsprachiges Publikum, an knallharte Rechtsextremisten ebenso wie selbsternannte „besorgte Bürger“. Nachdem vorwärts.de im November über die Seite berichtete, griff auch „Zeit-Online“ die Geschichte auf und zeigte: Scheinbar gibt es in Deutschland eine ganze Menge Kunden der illegalen Waffendealer.

„Hunderte Deutsche“, heißt es in dem Bericht auf zeit.de, hätten inzwischen Waffen bei „Migrantenschreck“ bestellt. Der Ablauf des Geschäfts scheint ganz einfach: Ein paar Mausklicks und schon liegt wenig später eine einsatzbereite Waffe aus Ungarn in einem deutschen Briefkasten. „Zeit Online“ besuchte einige der Kunden aus dem gesamten Bundesgebiet – wie es scheint, sind darunter ganz normale Bürger wie Richter, Steuerberater oder Autohändler, die sich wegen diffuser Ängste vor Migranten bewaffnen wollen.

Gezielte Falschmeldungen über Flüchtlinge

Die Panik vor „orientalischen Diebesbanden“ und „rotzfrechen Antifanten“ werden auf der Webseite noch weiter geschürt: In einem Blog-Bereich verbreiten die Betreiber von „Migrantenschreck“ gezielt Falschmeldungen über Flüchtlinge. Der „Tagesspiegel“ zitiert dazu die Internet-Aktivistin Karolin Schwarz von „Hoaxmap“: „Sämtliche Behauptungen sind falsch“, sagt Schwarz mit Blick auf einen von „Migrantenschreck“ gefälschten Bericht über sexuelle Belästigungen durch Flüchtlinge in einem Freibad.

Dass diese rassistische Hetze und die angebotenen Waffen brandgefährlich sind, daran kann kein Zweifel bestehen. Seit Frühsommer 2016 waren deshalb bereits fünf deutsche Staatsanwaltschaften mit der Causa „Migrantenschreck“ beschäftigt – bisher jedoch ohne großen Erfolg, wie es scheint. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt immerhin gegen einen 33-jährigen Thüringer, den mutmaßlichen Betreiber der Seite, berichtet der „Tagesspiegel“.

Wer steckt hinter „Migrantenschreck“?

Wer genau hinter der Seite steckt, war bis vor kurzem nur ein Gerücht: Manche vermuteten schon länger, der Neonazi und Pegida-Aktivist Mario Rönsch könnte der Betreiber sein. Inzwischen kann diese Annahme als bestätigt angesehen werden: Kurz nachdem vorwärts.de im November über die Seite berichtete und auch andere Medien über den Fall schrieben, änderte sich plötzlich das Impressum von „Migrantenschreck“: Fand sich Anfang November noch eine offensichtlich gefälschte Budapester Anschrift auf der Seite, steht heute dort die Adresse der „Deutsch-Ungarischen Handels- und Vertriebsgesellschaft mbH“. Als Geschäftsführer wird Mario Rönsch genannt, der mindestens seit Jahresbeginn wegen Betrugs, Volksverhetzung und dem Aufruf zu Straftaten von der Polizei gesucht wird. Bisher konnte sich der Pegida-Aktivist jedoch der Verhaftung entziehen, Rönsch scheint untergetaucht zu sein.

Google außer Kontrolle

Nach wie vor offen zugänglich ist die offenbar von Rönsch verantwortete Webseite „Migrantenschreck “ – selbst Google führt die Seite ganz oben in der Trefferliste. Dies ist insofern ungewöhnlich, als die Seite seit dem 29. September 2016 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) offiziell indiziert ist. Damit darf sie nicht länger offen beworben werden. Seit 2005 verpflichten sich auch deutschsprachige Suchmaschinen unter dem Dach der „Freiwilligen Selbstkontrolle“ (FSM), von der BPjM indizierte Seiten aus ihren Suchergebnissen zu streichen. Bei der Webseite „Migrantenschreck“, deren Inhalt laut BPjM eindeutig jugendgefährdend und volksverhetzend ist, scheint die freiwillige Selbstkontrolle der Firma Google jedoch nicht zu klappen.

Wie lange es noch dauert bis auch Google, Yahoo und Co. die Seite indizieren, ist schwer zu sagen. Gleiches gilt für die Frage, wann die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Fall „Migrantenschreck“ abschließen wird. Angesichts der rassistischen Gewaltwelle, die gerade durch Deutschland rollt und fast täglich Opfer fordert, bleibt nur zu hoffen, dass den Betreibern der Seite möglichst bald das Handwerk gelegt wird.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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