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Laut gegen Nazis: Mit Öffentlichkeit dem Rechtsextremismus begegnen

„Wenn Leute sich zusammenschließen, werden die Nazis leiser“, sagt Jörn Menge, der 2004 die Initiative „Laut gegen Nazis“ in Hamburg gründete. Seitdem begegnet sie mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen dem Rechtsextremismus.
von Jonas Jordan · 25. Mai 2021
„Laut gegen Nazis“ – das ist die Maxime der 2004 gegründeten Hamburger Initiative, hier bei einem Konzert im sächsischen Freital 2016.
„Laut gegen Nazis“ – das ist die Maxime der 2004 gegründeten Hamburger Initiative, hier bei einem Konzert im sächsischen Freital 2016.

„Ich komme aus einer Nazi-Familie“, sagt Jörn Menge, der Kopf hinter der Hamburger Initiative „Laut gegen Nazis“. Sein Vater war Sozialdemokrat, sein Opa hingegen überzeugter Nationalsozialist, der auch Jahrzehnte nach Kriegsende noch mit Gräueltaten aus der NS-Zeit prahlte. Weitere hochrangige SS-Leute gehörten zu seiner Familie. Entsprechend groß war Menges Antrieb, sich aktiv gegen rechtsextremistische Tendenzen zu stellen. Seit 2004 tut er das für „Laut gegen Nazis“.

Nazis nicht als Spinner abtun

 2004 war zugleich das Jahr, in dem die rechtsextreme NPD nach der Wahl in Sachsen erstmals seit 1972 mit 9,2 Prozent wieder in einen Landtag einzog. Entsprechend spielte die Partei in der Arbeit der Initiative anfangs eine große Rolle, auch durch den Hamburger Anwalt Jürgen Rieger. „Das waren diejenigen, die dieses Gedankengut immer wieder in die Gesellschaft haben schwappen lassen“, sagt Menge.

Es nütze nichts, Nazis als Spinner abzutun, warnt er. Denn sie würden trotzdem die Mitte der Gesellschaft erreichen, wie aktuell beispielsweise bei den Demonstrationen von Querdenkern zu sehen sei. Menge kritisiert: „Wenn ich mir die Querdenker-Demos angucke, die Geschichtsrevisionismus betreiben, klar antisemitisch agieren und von Diktatur reden, dann wird das zwar wahr genommen, aber nur sehr kläglich dagegen vorgegangen.“

Gefahr durch Querdenker*innen

Er spricht von einer spürbaren Gefahr für die Demokratie, wenn beispielsweise 15.000 Querdenker*innen durch Stuttgart liefen. Denn der Gründer von „Laut gegen Nazis“ ist überzeugt: „Immer wenn es schlechte Zeiten gibt, haben es die Rechten immer geschafft, auf Bauernfang zu gehen. Wir leben in einer Zivilgesellschaft, die nicht mehr so politisch interessiert ist. Viele leben in ihrer Wohnung, genießen ihren Wohlstand, fahren in den Urlaub und sind damit zufrieden.“ Dabei gebe es das Potenzial, dass 30 Prozent der Gesellschaft rechts wählten. Diese Gefahr müsse man ernst nehmen.

Die Strategie von „Laut gegen Nazis“ fußt daher seit der Gründung vor 17 Jahren darauf, genau dort hinzugehen, wo Rechtsextreme stark sind und dort gemeinsam mit Prominenten wie dem Schauspieler Peter Lohmeyer oder Musiker wie Johannes Oerding, Revolverheld oder die Fantastischen Vier für Öffentlichkeit zu sorgen. „Wir haben immer gesagt, wir wollen die rechtsextreme Szene auch provozieren“, sagt Menge. Zudem schütze Öffentlichkeit: „Wenn Leute sich zusammenschließen, werden die Nazis leiser.“

Podcast seit Oktober

Die Öffentlichkeitsarbeit der Initiative funktioniert aktuell durch die Corona-Pandemie nur sehr eingeschränkt. Normalerweise sind sie gemeinsam mit Bands wie den Fantastischen Vier auf Tournee, um dort Spendengelder zu sammeln und so ihre Arbeit im Kampf gegen Rechts zu finanzieren.

Ende Oktober hat die Initiative stattdessen ihren eigenen Podcast gestartet, um im Gespräch zu bleiben und weiter für Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema zu sorgen. Wöchentlich erscheint eine Folge. Zu Gast waren neben Vertreter*innen verschiedener Initiativen auch der Präsident des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli Oke Göttlich und der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen.

Kampagne zur Bundestagswahl

Er will im September erneut in den Bundestag einziehen. Auch „Laut gegen Nazis“ wirbt mit der neuesten Kampagne für eine hohe Wahlbeteiligung. In 200 Videos werden die Aussagen rechtsextremer Parteien seziert und bloßgestellt. Passenderweise ist die Kampagne am 8. Mai gestartet. Dem Tag, an dem Nazi-Deutschland vor 76 Jahren den Krieg verlor. Bei „#OffensiveBundestagswahl“ zitieren Menschen aus den Programmen rechter Parteien. Die Inhalte sollen abschrecken und dazu führen, dass mehr Menschen demokratische Parteien wählen. In einem Video zerreißt Schauspieler Peter Lohmeyer demonstrativ einen Zettel und sagt an: „Geht mal bitte alle wählen, dass davon nichts bleibt!“ Jörn Menge erklärt: „Wir wollen auch ein bisschen ins Wespennest stechen.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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