Kommentar zur NSU-Aufklärung: Viele Fragen - kaum Antworten
Es war zu Beginn der Jahres 2012, der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) erst wenige Wochen zuvor aufgeflogen, da versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel den Angehörigen der Opfer eine „umfassende und vollständige Aufklärung“ der rechtsextremen Mordserie. Mehr als fünf Jahre später, nach zwei Untersuchungsausschüssen im Bundestag und zehn Ausschüssen in den Ländern bleibt festzuhalten: Das Versprechen der Kanzlerin ist nicht erfüllt, das Maß der Aufklärung eher lückenhaft denn vollständig.
NSU: Zentrale Fragen bleiben offen
Weiter fehlen Antworten auf zentrale Fragen rund um die Mordserie des NSU, die vor allem die Angehörigen der Opfer noch heute um den Schlaf bringen dürften: Warum mein Vater, Bruder, Sohn? Wer war an der Opferauswahl beteiligt? Wer hielt den Tätern den Rücken frei? Warum wurde das Morden nicht früher gestoppt, die Täter erkannt? Während der Bundestagsdebatte zur Vorstellung des Abschlussberichts des 2. Bundestags-Untersuchungsausschusses am Freitag wurden diese Fragen von vielen Abgeordneten richtig benannt. Antworten hatten sie nicht gefunden.
Um eines klar zu sagen: An der fehlenden Bereitschaft zur Aufklärung bei den Abgeordneten lag das ganz gewiss nicht. Dass mit der Linken-Politikerin Petra Pau die akribischste und gleichzeitig kritischste aller am Ausschuss beteiligten Parlamentarier die Zusammenarbeit der Fraktionen lobte, spricht für sich. Tatsächlich hatten die Abgeordneten eine Datenmenge von 721 Gigabyte durchforstet und rund 12.000 Akten als Beweismaterial beigezogen. Viermal mehr Akten und Daten, als in allen anderen Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen dieser Wahlperiode ausgewertet worden waren.
Sicherheitsbehörden machen keine gute Figur
Stattdessen müssen Beteiligte wie regelmäßige Beobachter der Ausschussarbeit feststellen: Zumindest in großen Teilen der Sicherheitsbehörden – dort also, wo während der Mordserie die entscheidenden Fehler gemacht wurden – ist die Bereitschaft zur Aufklärung noch immer nicht besonders ausgeprägt. Der bereits im Forderungskatalog des ersten NSU-UA auf Bundesebene angemahnte „Mentalitätswechsel“ scheint längst nicht auf allen Ebenen des Apparats aus Geheimdiensten und Polizeibehörden angekommen zu sein.
So bleibt im Rückblick des nun zum Abschluss gekommenen Unterschungsausschusses festzuhalten: Für die wirklichen Neuigkeiten – und damit auch für die aus der täglichen Nachrichtenflut herausragenden Meldungen – sorgten die Sicherheitsbehörden selbst. Sei es durch im Bundesamt für Verfassungsschutz geschredderte Akten, weil sonst unangenehme Nachfragen hätten auftauchen können. Oder durch in scheinbar jahrelang nicht geöffneten Schränken gefundene Mobiltelefon des ehemaligen V-Mann „Corelli“, für die sich beim Geheimdienst vier Jahre lang schlicht niemand interessiert hatte. Dass diese und weitere Vorfälle im Verlauf der Ausschussarbeit dazu führten, selbst dessen Vorsitzenden Clemens Binninger von der „Trio-These“ des Generalbundesanwalts abrücken zu lassen, spricht für sich.
Versprochen - gebrochen
Was bleibt, ist ein Gefühl der Ohnmacht und die schwindende Hoffnung darauf, die Mordserie und die vielen offenen Fragen doch noch beantwortet zu bekommen. Schon jetzt sprachen viele als Zeugen in den Ausschuss geladene Ermittler oder anderweitig Beteiligte von Erinnerungslücken. Angesichts einer Zeitspanne von mehr als zehn Jahren zu einzelnen NSU-Taten ist das kein Wunder, wenn auch deprimierend. Verstörend muss dieser Fakt aber vor allem auf die Angehörigen der Opfer wirken. Von allen gebrochenen Versprechen dürfte ihnen vor allem eines in Erinnerung bleiben: Das der Kanzlerin.