BNR

Kommentar: Was in Sachsen passiert, ist rechter Terror!

Sprengstoffanschläge auf NSU-Gedenken, Hetzjagden auf Flüchtlinge, Attacken auf Politiker. In Sachsen häuft sich die Zahl rechtsextremer Straftaten so stark, dass man von rechtem Terror sprechen muss.
von Robert Kiesel · 8. November 2016
Rechter Terror in Sachsen
Rechter Terror in Sachsen

Es ist gerade zwei Wochen her, da hielt die SPD in Sachsen ihren Landesparteitag ab. „Unser Sachsen für morgen“ hieß das Motto der Veranstaltung, auf der Landeschef Martin Dulig verbal klare Kante zeigte gegen Rechtsextremismus in seiner Heimat. Jüngste Meldungen aus dem Freistaat zeigen: Aus Rechtsextremismus wächst rechter Terror, der besser heute als morgen tatsächlich angegangen wird.

Anschläge gegen NSU-Gedenken

Schauplatz Chemnitz: In der Nacht zu Dienstag zerstört ein Sprengsatz die Frontscheibe des alternativen Zentrums Lokomov, das bereits in der Vergangenheit Ziel von Anschlägen war. Da das Lokomov aktuell Heimstätte des an den Terror des NSU erinnernden Theaterprojekts „Unentdeckte Nachbarn“ ist, liegt eine rechtsextremes Tatmotiv nahe.

Schauplatz Zwickau: Ebenfalls in der Nacht zu Dienstag attackieren bislang unbekannte Täter ein in Gedenken an den Terror des NSU errichtetes Mahnmal. In ersten Meldungen ist von „Besudelungen und Zerstörungen“ die Rede. Wenig später ist zu lesen: Zwei der ursprünglich elf mit den Namen der vom NSU ermordeten Menschen versehenen Bänke sind gestohlen worden.

„Nazi-Kiez“ Sachsen!? Kampf um die Vorherrschaft

Das ist nicht alles: Ebenfalls in Zwickau wird eine anlässlich des 5. Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU durch die Innenstadt ziehende Gedenk-Demonstration von einem Anwohner mit dem Hitlergruß kommentiert. Am Sonntag werden drei Politiker der Grünen, darunter die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar, am Bahnhof in Naumburg von Hooligans attackiert.* Ebenfalls am Wochenende werden aus einer Gruppe von 30 Personen heraus Flüchtlinge zunächst durch die Straßen von Heidenau gejagt und später geschlagen. Eine Hetzjagd, die Medienberichten zufolge genau so wenige Wochen zuvor in Bautzen stattgefunden hatte.

Was all diese Taten gemein haben? Ihre Botschaft lautet: Hier herrschen wir und entscheiden, was in unserem Kiez passiert und was nicht. Rechtsextreme sind in Sachsen aktuell dabei, das in der Szene seit Jahren propagierte Konzept der No-Go-Area für Ausländer und Andersdenkende in die Tat umzusetzen. Als Art Reviermarkierungen genutzte Graffitis mit Botschaften wie „Nazi-Kiez“, wie sie zuletzt wiederholt in Chemnitz auftauchten, sind Beleg für den oft zitierten Kampf um die „kulturelle Hegemonie“, den Neonazis an einigen Stellen Sachsen tatsächlich zu gewinnen drohen – wenn sie ihn nicht schon gewonnen haben. Dabei gehen sie aggressiver vor als ihre Kameraden in anderen Bundesländern und schrecken im Extremfall, wie die Taten von Chemnitz und Zwickau zeigen, auch nicht vor dem symbolische Handschlag mit den Rechtsterroristen des NSU zurück.

Gewalt als Antwort auf Schwäche

Bekämpfen lassen sich Probleme nur, wenn sie benannt werden. Dass rechter Terror in Sachsen jahrelang heimisch war, wissen wir spätestens seit dem NSU. Dass er aktuell dabei ist, sich vor unser aller Augen zu remobilisieren, zeigen die jüngsten Taten. Die Reaktionen darauf – in Bautzen wurden Flüchtlinge statt Angreifer vom Kornmarkt verbannt, in Naumburg die Grünen-Politiker und nicht die Hooligans aus dem Zug geschmissen – machen wenig Hoffnung auf Besserung. Sie sind Zeichen von Schwäche, die von Terroristen als Einladung zur Gewalt verstanden wird.

* In einer früheren Fassung des Beitrags hieß es, die Angreifer stammten aus der Fanszene des Fußball-Regionalligisten Lokomative Leipzig. Dies wurde inzwischen durch Verwantwortliche des Vereins und einem der Attackierten, dem sächsischen Grünen-Chef Jürgen Kasek, wiederrufen.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare