Innenpolitik: Wie die SPD gegen Telegram vorgehen will
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„Natürlich hat uns heute miteinander die Lage der Corona-Demonstrationen am meisten beschäftigt“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach dem ersten Treffen mit ihren sozialdemokratischen Länderkolleg*innen. Gemeinsam gebe es ein sehr klares Bekenntnis, dass sich der Rechtsstaat nicht bieten lassen dürfe, was dort passiere. „Wir müssen die Grenze dort sehr, sehr stark ziehen, wo es um Hass, Hetze und Gewalt geht“, sagt Faeser und nimmt insbesondere die Bedrohungslage von Journalist*innen und Kommunalpolitiker*innen in den Fokus.
Sie fügt an: „Wir sehen zunehmend, dass Rechtsextremisten diese Demonstrationen für sich und ihre Ideologie gegen den Staat missbrauchen. Deswegen müssen wir da auch hart durchgreifen und mit konsequenter Strafverfolgung gegen die Täterinnen und Täter drohen.“
Faeser: Google und Apple als „Brandbeschleuniger für Verschwörungstheorien“
Faeser wiederholt im Nachgang des Treffens erneut, dass Rechtsextremismus für sie aktuell die größte Bedrohung darstellt. „Deswegen sind wir uns sehr einig, dass wir den Nährboden für rechtsextreme Bedrohungen und Gewalttaten austrocknen müssen“, sagt sie. Im Zusammenhang damit gerät für Faeser auch der Messenger-Dienst Telegram noch stärker in den Fokus. Sie wolle große Plattformen in die Pflicht nehmen, Mordaufrufe und andere Fälle von Hasskriminalität zu löschen und an das Bundeskriminalamt zu melden, wie es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz auch vorsehe.
Das Problem sei allerdings bei Telegram, dass Ansprechpartner*innen sowie eine vollstreckungsfähige Anschrift der Betreiber*innen in Europa fehlten. Um diesem Problem entgegenzutreten, führe sie aktuell Gespräche auf internationaler Ebene, unter anderem mit ihrem niederländischen Amtskollegen und der zuständigen EU-Kommissarin. Faeser richtet sich auch an App-Store-Betreiber wie Apple und Google und erinnert diese an ihre gesellschaftliche Verantwortung, „weil sie die Apps anbieten und solange sie das tun, sind sie auch eine Form von Brandbeschleuniger für Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien“.
Pistorius: Telegram zum Löschen bringen
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius spricht mit Blick auf Corona-Demonstrationen und „Spaziergänge“ von einer Radikalisierung einer bestimmten Szene. „Die Versammlungslagen belasten die Landespolizeien ganz erheblich“, sagt er. Auch er sagt: „Das Thema Telegram beschäftigt uns rauf und runter. Wenn in Gruppen Mordpläne gegen Politiker verbreitet werden, sogenannte Spaziergänge verabredet werden, um die Polizei vorzuführen, dann überschreitet das Linien.“ Das dürfe sich der Staat nicht gefallen lassen.
Pistorius fügt an: „Telegram hat vor einigen Jahren gezeigt, dass es reagieren kann, wenn es reagieren will.“ Bei pornographischen ebenso wie bei islamistischen Inhalten reagiere der Messenger-Dienst sehr schnell und zuverlässig mit deren Löschung. Dies sei jedoch bei rechtsextremistischen oder verschwörungstheoretischen Inhalten derzeit nicht der Fall. „Telegram kann, aber sie müssen auch wollen. Dazu müssen wir sie bringen, da diese Plattform inzwischen zu einem echten Brandbeschleuniger für Verschwörungstheoretiker, Staatsablehner, Rechtsextremisten und Reichsbürger geworden ist“, meint der niedersächsische Innenminister.
Dafür müssten auch alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, fügt er auf Nachfrage an. Entsprechend sei auch die europäische Ebene gefordert. „Wer eine Plattform bietet für Schmuddelkinder, darf nicht ungestört Geschäfte machen“, sagt Pistorius.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo