Identitäre „C-Star“ in Seenot: Flüchtlingshelfer wollen Rechtsextreme retten
Was auf hoher See passiert, ist vom Festland aus nur schwer zu beurteilen. Zwar teilen die Flüchtlingshelfer der Organisation „Sea-Eye“ auf Facebook und Twitter mit, was sie täglich im Mittelmeer erleben. Auch ihre Gegner, die ultrarechten „Identitären“ auf dem Schiff „C-Star“, betreiben Social-Medie-Kanäle. Doch unabhängige Informationen sind rar.
Die Ironie des Schicksals
Sicher scheint jedoch zu sein, dass die „C-Star“ jetzt irgendwo im westlichen Mittelmeer in Schwierigkeiten geraten ist. Ihre Mission, Flüchtlinge an der Überfahrt nach Europa zu hindern, dürfte damit vorerst gestoppt sein. Auf dem Twitter-Account „Defend Europe“ schrieben die Rechten am Freitag: „Die C-Star hat gerade technische Probleme.“ Das Schiff habe den Hauptmotor abstellen müssen – was nach der eigenen Interpretation aber „kein Notfall“ sei. Nach dem Seeverkehrsrecht gilt das Boot der „Identitären“ damit jedoch als manövrierunfähig. Ohne Motor ist die „C-Star“ dem Wellengang schutzlos ausgeliefert. Es ist die Ironie des Schicksals: Die Rechtsextremen verurteilen humanitäre Organisationen wie „Sea Eye“ oder „Ärzte ohne Grenzen“ für deren Rettungsaktionen im Mittelmeer. Jetzt haben sie selbst Probleme auf dem offenen Meer – und brauchen Hilfe.
„In Seenot Geratenen zu helfen, ist die Pflicht eines jeden, der auf See ist – unterschiedslos zu ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Gesinnung“, teilte Michael Buschheuer, der Vorsitzende des Vereins „Sea Eye“, auf Facebook mit. Das Schiff seiner Organisation sei per Funk von den Behörden auf die Notlage der „C-Star“ aufmerksam gemacht worden. „Da unser Kutter Sea-Eye von der C-Star am nächsten entfernt ist, wurden wir vom MRCC Rom (der Seenotleitzentrale für das westliche Mittelmeer) damit beauftragt, dem Schiff zur Hilfe zu kommen“, heißt es auf dem Facebook-Profil der Flüchtlingsretter. „Die Sea-Eye nimmt derzeit Kurs auf die C-Star.“ Laut der Webseite „Vessel Finder“ befand sich die „Sea Eye“ am Freitagvormittag rund 70 Kilometer vor der Küste Libyens.
Mission der „C-Star“: Eine Reihe von Rückschlägen
Es ist nicht das erste Mal, dass die Rechtsextremen der „C-Star“ für Schlagzeilen sorgen, die ihnen keine Freude bereiten dürften. Kurz nachdem sie im Juli ihre Mittelmeer-Mission gestartet hatten, mussten sie ihre Fahrt schon wieder unterbrechen: in Nordzypern, wo ein Teil der aus Sri Lanka stammenden Crew Asyl beantragte und der Besitzer des Schiffs wegen Schlepperei festgenommen wurde. Die selbsternannten „Verteidiger“ Europas hatten das genaue Gegenteil ihres Vorhabens erreicht – anstatt Asylbewerber im Mittelmeer abzufangen, hatten sie selbst welche nach Zypern gebracht.
Doch damit hörten die Probleme für die „C-Star“ noch nicht auf. Wie die Webseite „Der Westen“ berichtet, bekam die rechtsextreme Besatzung am Dienstag Ärger vor der Küste Tunesiens: Einheimische Fischer wollten die Rechten nicht tanken lassen und errichteten im Hafen der Stadt Sfax eine Blockade gegen die „C-Star“. Ob Treibstoffmangel der Auslöser der aktuellen Probleme ist, ist unklar.
Spott im Internet für die „Identitäre Bewegung“
Im Netz ziehen die „Identitären“ für ihre Aktion inzwischen den Spott auf sich. Viele halten ihnen Dilettantismus vor – und weisen auf die unfreiwillige Komik der Situation hin: Gerade die erbitterten Gegner der humanitären Helfer im Mittelmeer sind nun selbst auf Rettung angewiesen.
Dennoch werden die Rechten sicher versuchen, ihre Aktion, die bis mindestens Mitte August laufen soll, als Erfolg zu verkaufen. Die Aufmerksamkeit, das zeigen die Medienberichte, ist ihnen schon jetzt sicher. Auch wird es die Mitglieder der „Identitären Bewegung“ freuen, dass ihre Idee von der sofortigen Rückführung aller geretteten Flüchtlinge nach Libyen immer lautere Fürsprecher findet, wie etwa ein Beschluss des italienischen Parlaments von Anfang August zeigt: Die Regierung will das italienische Militär in libysche Gewässer zu schicken, um dort Boote mit Flüchtlingen abzufangen.
Thomas de Maizière dürfte die „Identitären“ erfreuen
Auch richten europäische Politiker ihre Kritik immer häufiger gegen die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer, was die „Identitären“ ebenfalls freuen dürfte. So warf CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière den humanitären Organisationen im Juli vor, gemeinsame Sache mit Schleppern zu machen. Die Helfer weisen das weit von sich und pochen auf das internationale Seerecht sowie die Menschenrechte. Beide gelten ausnahmslos für alle Menschen, sagen sie – auch für die rechtsextremen Asylgegner auf der „C-Star“.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.