Fragerunde als Prävention: So zeigt „Meet a Jew“ jüdisches Leben
Meet a jew
„Ich lasse mich gerne löchern“, sagt Juna Grossmann und lacht. Grossmann ist Jüdin, man kann sie treffen, mit ihr über ihre Religion sprechen oder wie sie im Alltag koschere Lebensmittel findet. Man muss sie nur fragen. Möglich ist das im Projekt „Meet a Jew“, in dem sich rund 350 Jüd*innen als Gesprächspartner für Gruppen anbieten.
Bei den Treffen stellt Grossmann immer wieder fest: Das Wissen um die Vielfalt jüdischen lebens in Deutschland und um die Religion insgesamt ist auch heute noch lückenhaft. Angefangen bei den Zusammenhängen zwischen Judentum und israelischer Staatsbürgerschaft über die Frage, wer wie Jude werden kann, bis hin zur religiösen Bedeutung der Matzen, der dünnen Brotfladen, die während des Pessach gegessen werden. Manche Fragen muss sie immer wieder beantworten, macht das aber gerne. „Bei mir gibt‘s keine böswilligen Fragen“, sagt sie. Sie erzählt aber auch über ganz praktische Fragen, beispielsweise worauf man achten muss, um koschere Lebensmittel im Supermarkt zu finden – von Gummibärchen bis hin zu Wein, der besonders starken Regeln unterliegt. Ein Siegel wie bei vegetarischen oder veganen Lebensmitteln ist nämlich eher selten zu finden.
Obwohl Grossmann versucht alle Fragen zu beantworten, kommen aber in den Gesprächen manchmal auch Fragen auf, auf die die Berlinerin keine Antwort hat. So erinnert sie sich daran, dass sie auch mal danach gefragt wurde, wie das Judentum mit Menschen umgeht, die sich nicht eindeutig männlich oder weiblich bezeichnen, sondern divers. Da muss Sie dann auch selber erstmal nachdenken - oder selber nachfragen. „Grundsätzlich akzeptiert das Judentum aber erstmal jede Person so, wie sie geschaffen wurde", kann dann Grossmann nach ein wenig Recherche die Frage später beantworten. So lernt Grossmann selbst auch immer mal wieder bei „meet a jew“ etwas dazu. „Diese Treffen erden einen selber auch immer ein wenig“, reflektiert sie.
Neugierde als Grundvoraussetzung
Eines ist der Bloggerin und Museumsmitarbeiterin aber besonders wichtig: „Meet a Jew“ ist kein direktes Antisemitismus-Projekt. es geht nicht vorrangig darum, den Holocaust zu thematisieren oder Hass und Hetze gegen Menschen jüdischen Glaubens aktiv zu bekämpfen. Das Projekt des Zentralrats der Juden setzt viel früher an: bei Aufklärung und Neugierde. Denn Grundvoraussetzung für ein Treffen ist das Interesse an jüdischem leben. Die Anfrage geht von den Gruppen selbst aus. „Aber wir können natürlich entscheiden, in welche Gruppen wir gehen wollen“, so Grossmann, die bei Treffen mit Schülerinnen und Schülern keinen Vortrag hält, sondern vor allem frei spricht.
Dennoch ist „Meet a Jew“ natürlich ein Projekt, das Antisemitismus vorbeugen kann. Denn wenn Jüd*innen von atheistisch bis orthodox über ihr Leben, ihre Religion sprechen, können Irrtümer und Klischees ausgeräumt werden. Auch die Vielfalt der Kultur wird sichtbar, da die Freiwilligen immer im Team zu den Treffen kommen. „Da entwickeln sich oft spannende Dialoge untereinander“, weiß Grossmann.
Wer mit ihr spricht, erfährt zum Beispiel, dass der Ruhetag Schabbat für sie ein „Faulenztag“ ist, eine gute Erinnerung von außen, im hektischen Alltag regelmäßig innezuhalten. Sie verzichtet an diesem jüdischen Feiertag in der Woche bewusst auch auf alle digitalen Medien, zieht sich komplett aus Sozialen Medien zurück.
Treffen auch digital möglich
„Meet a Jew“ startete erset 2020, Grossmann war aber bereits bei ähnlichen Vorläuferprojekten aktiv. Nach eigenen Angaben gab es vor der Pandemie mehr als 50 Anfragen monatlich, meist von Schulklassen und Vereinen, Kirchengemeinden und andere Gruppen sind aber auch hin und wieder und den Interessenten.
Auch unter den aktuellen Corona-Bedingungen können Treffen vereinbart werden – schließlich kann man sich auch digital treffen, per Videokonferenz. Angefragt werden kann auf der Seite des Projekts „meet a jew“.