„Feine Sahne Fischfilet“: Wie ein uralter Tweet einen rechten Shitstorm auslöst
„Feine Sahne Fischfilet“ ist eine ganz normale Punkband: laut, ruppig, antifaschistisch. Nicht nur ihr kommerzieller Erfolg macht die sechsköpfige Gruppe zu etwas Besonderem – ausverkaufte Konzerte und Chartplatzierungen inklusive. Ungewöhnlich ist auch, dass die meisten Bandmitglieder nie aus ihrer Heimat, dem Osten Vorpommerns, weggezogen sind – obwohl die Gegend mit ihrem Nazi-Problem nicht gerade ein bequemer Ort ist für linke Punkrocker.
Wie sich rechte Stimmungsmache verbreitet
Einer der vielen Fans von „Feine Sahne Fischfilet“ ist Patrick Gensing, ein ganz normaler Journalist. Für beides – seinen Musikgeschmack und seinen Beruf – erlebt der ARD-Mitarbeiter im Moment eine Welle des Hasses im Netz. Seine Geschichte zeigt, welche Hysterie ein paar Twitter- und Facebook-Einträge selbst Jahre nach Erscheinen auslösen können – und wie weit sich rechte Stimmungsmache im Netz ausbreiten kann.
Dass Gensing nicht gerade beliebt ist am rechten Rand der Gesellschaft, liegt auf der Hand: Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt er sich journalistisch mit Rechtsextremismus, seit April 2017 leitet er den „Faktenfinder“ der Tagesschau. In dieser Funktion überprüft er etwa die Aussagen von Politikern auf ihren Wahrheitsgehalt und deckt „Fake News“ auf.
#antifa lässt den Hass überkochen
Deshalb steht er schon länger im Fokus rechter Hetzer, wird im Netz etwa als „Antifa-Journalist“ bezeichnet. Jetzt ist der Hass gegen ihn jedoch übergekocht – und das hat etwas mit seinem Faible für „Feine Sahne Fischfilet“ zu tun. Seit Jahren geht Gensing auf die Konzerte der Punkrocker und unterhält persönlichen Kontakt zu ihnen. Im November 2015 etwa stand er in Hamburg bei einem Auftritt im Backstage-Bereich und teilte auf Twitter ein Foto der Band. „Wir reichen uns die Hand“, schrieb er und fügte ein paar Hashtags bei. Eines davon: #antifa.
Obwohl das Bild mehr als zwei Jahre alt ist, kursiert es gerade im Netz – und zwar in der Echo-Kammer der extremen Rechten. Dort werten es viele als Skandal, dass Gensing Konzerte von „Feine Sahne Fischfilet“ besucht. Für einen Journalisten des öffentlichen Rundfunks, einen Faktenchecker obendrein, gehöre es sich so etwas nicht, meinen die Kritiker. Denn: „Feine Sahne Fischfilet“ wurde zwischen 2011 und 2015 ein paar Mal im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern erwähnt, was die Band stets als unverhältnismäßig kritisierte. Von einer „explizit anti-staatlichen Haltung“ der Punkrocker berichteten die Behörden damals, die Band hielt das eher für einen Witz.
Tagesschau „linksextrem“?
Obwohl das alles Jahre zurückliegt, ist im Moment die Aufregung groß um den Musikgeschmack des Journalisten Gensing. Dabei holen viele Twitter-Nutzer zum Rundumschlag aus – gegen Gensing als Person, den öffentlichen Rundfunk und natürlich „die Antifa“. In den Kommentarspalten teilen seine Feinde dann auch ihre Weltsicht mit: Die ARD sei von „Zwangsgebühren“ finanziert, die Tagesschau nichts anderes als „linksextrem“.
Warum aber tauchen gerade jetzt die Jahre alten Beiträge und „Fischfilet“-Fotos aus Gensings Social-Media-Profilen auf? Auf Twitter äußert der ARD-Mann einen Verdacht: Eine rechte Seite aus Russland habe vor kurzem einen Text über ihn veröffentlicht, schreibt er. Die Folge: „Der Online-Mob tobt. Mails, Kommentare, Tweets. Beleidigungen. Anonyum u mit Namen. Schreiben an Arbeitgeber und Twitter usw.“
Patrick Gensing: „Weitermachen“
Er könnte Recht haben mit dem Verdacht: In der Tat findet sich auf einer russischen Seite aus dem rechten „Anonymous“-Netzwerk ein aktueller Hetzartikel gegen den ARD-Journalisten – gespickt mit Verleumdungen und Verschwörungstheorien. Auch ein Screenshot von Gensings Hamburger „Feine Sahne Fischfilet“-Foto ist dabei. Möglicherweise ist dieser Artikel der Auslöser für den derzeitigen Shitstorm gegen den Journalisten. Der will sich aber nicht aus der Ruhe bringen lassen und – so schreibt er auf Twitter – erst einmal eine „Woche Urlaub genießen“ und dann: „Weitermachen“.
Die rechten Internetnutzer ruhen sich in der Zwischenzeit allerdings nicht aus: Sie graben weitere Einträge aus den Untiefen von Gensings Twitter-Timeline aus, die sich um „Feine Sahne Fischfilet“ drehen. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Aufregung, als sich „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt vor kurzem in die Diskussion einschaltete und per „Retweet“ einen Gensing-kritischen Beitrag teilte.
Heiko Maas dankt „Feine Sahne Fischfilet“
Es ist nicht das erste Mal, dass damit ein Fan von „Feine Sahne Fischfilet“ an den Online-Pranger kommt. So hat sich Heiko Maas, der geschäftsführende SPD-Bundesjustizminister, im Sommer 2016 öffentlich bei den Punkrockern bedankt, nachdem sie in Vorpommern ein Konzert gegen Rechts gegeben hatten – damals folgte ein rechter Shitstorm auf Maas‘ Tweet.
Die Mitglieder von „Feine Sahne Fischfilet“ dürfte das alles freuen, auch im aktuellen Fall. Immerhin ist die Band gerade auf Tour, um ihr aktuelles Album „Sturm & Dreck“ zu promoten – dank der Aufmerksamkeit, die der Fall um Patrick Gensing erzeugt, dürfte der Ticketverkauf nun sogar noch ein Stück besser laufen.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.