Fast 4000 rassistische Übergriffe auf Flüchtlinge allein 2016
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Der jüngste Fall ist erst wenige Tage alt: Weil sie sich am Nachtschalter einer Tankstelle in Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern) etwas kaufen wollten, wurden zwei junge Männer aus Syrien am vergangenen Sonntag geschlagen und mit Bierflaschen beworfen. Zuvor hätten die bislang unbekannten Täter danach gefragt, was die beiden in Deutschland wollten. Kurz darauf flogen die Fäuste.
Rassistische Gewalt gegen Flüchtlinge auf Rekordniveau
In wenigen Tagen wird auch diese Attacke Gegenstand der „Chronik flüchtlingsfeindlicher Vorfälle“ sein. Geführt wird diese von Autoren der Amadeu-Antonio-Stiftung und Pro Asyl. Unter dem Titel „Es hört nicht auf“ haben beide Organisationen ihre vorläufige Bilanz für das Jahr 2016 veröffentlicht.
Sie macht deutlich: Während die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge sinkt, bleibt die Zahl der flüchtlingsfeindlichen Übergriffe auf Rekordniveau. Laut der Chronik wurden in Deutschland allein im vergangenen Jahr 3.774 rassistische Übergriffe auf Asylsuchende verübt. Die Zahl der gewalttätlichen Angriffe lag demnach bei 595.
Deutschland 2016: Jeder dritte Tag ein Brandanschlag
Besonders erschreckend: In der gemeinsam erarbeiteten Chronik registrierten Mitarbeiter beider Organisationen 123 Brandanschläge. Im Durchschnitt wurde demzufolge im Jahr 2016 in Deutschland an jedem dritten Tag ein Brandanschlag auf Asylbewerber und deren Unterkünfte verübt. Die Gesamtzahl der durch Übergriffe und Brandanschläge verletzten Menschen lag der Chronik zufolge bei 434.
Die Autoren selbst bezeichnen die Chronik als „Gradmesser für Hass und Gewalt“, der eine „zivilgesellschaftliche Kontrollfunktion“ erfüllt. Da das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr 3.533 Übergriffe auf Asylsuchende registriert hatte - also rund 200 Fälle weniger, als in der Chronik dokumentiert sind - sei die Chronik ist ein „notwendiges Korrektiv zu den Angaben der Sicherheitsbehörden“.
Dunkelziffer dürfte „deutlich höher“ liegen
Kritik üben die Autoren der Chronik an der Informationspraxis der Sicherheitsbehörden. So würden längst nicht alle Vorfälle über Polizei- oder Pressemeldungen öffentlich gemacht. Dadurch fällt die Aufarbeitung schwer, so Amadeu-Antonio-Stifung und Pro Asyl. Sie gehen ungeachtet der massiven Fallzahlen von einer Dunkelziffer aus, „die in jedem Fall deutlich höher liegen dürfte“.