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Experte: Gefahr durch selbsternannte Reichsbürger war bekannt

Nach der Attacke auf Polizisten durch einen sogenannten Reichsbürger sind Öffentlichkeit und Politik aufgeschreckt. Dabei ist die Gefahr durch bewaffnete Rechtsextreme schon lange real. Unser Interview mit Matthias Quent, Rechtsextremismusforscher und Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringen.
von Robert Kiesel · 21. Oktober 2016
Reichsbürger in Deutschland
Reichsbürger in Deutschland

Herr Quent, nach den tödlichen Schüssen des Reichsbürgers Wolfgang P. auf Polizisten in Franken: Wie sehr überrascht Sie der Fall?

Dass die Bereitschaft besteht, die Waffen, die im Besitz von sogenannten Reichsbürgern sind auch einzusetzen, ist nichts Neues. Es gab bereits in der Vergangenheit Fälle, in denen sogenannte Reichsbürger Schusswaffen eingesetzt haben, auch gegen Polizisten. Der letzte Fall liegt gerade mal zwei Monate zurück.

Ganz allgemein betrachtet: Wie gefährlich sind Reichsbürger?

Wir haben in diesem Bereich ein Defizit in der Forschung, es gibt keine empirische Analyse zu Reichsbürgern. Bekannt ist, dass selbsternannte Reichsbürger schon immer mit der neonazistischen Szene kooperiert haben. Unterschiedliche ideologische Ansätze ergänzen sich: Zum einen scheint es legitim, selber gewalttätig zu werden. Zum anderen wird die Legitimität der Bundesrepublik Deutschlands als Staat bestritten. Letztendlich sind die selbsternannten Reichsbürger Nazis, die der Meinung sind, die Bundesrepublik Deutschland existiert nicht und sie leben im Dritten Reich.

Bereits in der Vergangenheit richtete sich die Gewalt der Reichsbürger vor allem gegen Repräsentanten des Staates. Sind sie besonders gefährdet?

Die Gefahr für Repräsentanten des Staates durch selbsternannte Reichsbürger ist deshalb viel größer als bei rassistischen oder rechtspopulistischen Bewegung, weil sie eben diesem Staat die Legitimität absprechen. Sie sind eine rechtsextreme Bewegung, die die Grundsätze der Verfassung komplett ablehnt. 

Am Tag nach den tödlichen Schüssen räumte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein, dass vier Beamte der Landespolizei aktive Mitglieder der Reichsbürgerbewegung seien. Wie passt das zusammen?

Klar ist, dass es innerhalb der Reichsbürgerbewegung sehr unterschiedliche Gruppen und Ansichten gibt. Darunter sind solche, die sich einer angeblich höheren Gemeinschaft verpflichtet fühlen, beispielsweise dem deutschen Volk oder der deutschen Gemeinschaft. Diese sind der Meinung, als Polizisten dieser Gemeinschaft mehr zu dienen als dem Grundgesetz. Der eigentliche Widerspruch besteht jedoch darin, dass solche Personen, die ganz offensichtlich das Grundgesetz negieren, im Polizeidienst aktiv sein dürfen.

Lange wurden Reichsbürger als „harmlose Spinner“ abgetan. Wird der aktuelle Fall daran etwas ändern?

Auch nach der Selbstenttarnung des NSU war die Hoffnung groß, dass rassistischer Terrorismus und rassistische Gewalt künftig ernster genommen werden. Das ist nicht unbedingt das, was man überall beobachten kann, um es gelinde auszudrücken. Ich denke schon, dass den sogenannten Reichsbürgern jetzt eine höhere Aufmerksamkeit zukommt. Ich habe jedoch meine Zweifel daran, ob die Lehren des aktuellen Falls auch nachhaltig wirken. Die jetzigen Bekenntnisse müssen sich an Taten messen lassen. Dazu zählt meine Ansicht nach auch die Erstellung empirischer Analysen, die bis dato fehlen.

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Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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