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Ein Jahr nach dem Anschlag: Ein Verein kämpft in Hanau für Toleranz

Ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau steht die Präventionsarbeit im Fokus. Der Verein „Institut für Toleranz und Zivilcourage – 19. Februar“ will den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
von Jonas Jordan · 18. Februar 2021
Trauer um die Opfer des Anschlags vom 19. Februar am Brüder-Grimm-Denkmal auf dem Hanauer Marktplatz.
Trauer um die Opfer des Anschlags vom 19. Februar am Brüder-Grimm-Denkmal auf dem Hanauer Marktplatz.

Eigentlich gab es die Vereinsidee schon viel länger, berichtet Selma Yilmaz-Ilkhan im Gespräch mit dem „vorwärts“. Die Sozialdemokratin ist Vorsitzende des Hanauer Ausländerbeirats und gehörte im vergangenen Jahr zu den Gründungsmitgliedern des Vereins „Institut für Toleranz und Zivilcourage – 19. Februar“. Die Idee dafür kam erstmals auf, als 2018 ein 17-jähriger Hanauer in Frankfurt tödlich von einer S-Bahn erfasst wurde, nachdem er zuvor einen auf die Schienen gestürzten Mann vor dem Zug retten wollte.

„Die Menschen wussten nicht, wohin mit ihrer Wut“

Nach dem rechtsterroristischen Anschlag am 19. Februar 2020, bei dem neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden, gründeten sieben Mitglieder des Hanauer Ausländerbeirats zusammen mit Angehörigen und Augenzeug*innen des Anschlags den Verein. 

Zu Beginn stand die Trauerarbeit im Fokus. „Wir haben versucht, die Menschen aufzufangen. Viele wussten in den ersten Monaten nicht, wohin mit ihrer Wut“, erkärt Yilmaz-Ilkhan. Die Vorstandsmitglieder betreuten jeweils ein bis zwei Opferfamilien. Der Verein habe dadurch in der Zeit nach dem Anschlag eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Stadt und den Opferfamilien wahrgenommen.

Für stärkeren Zusammenhalt

Im Laufe der Zeit wandelte sich die Arbeit dahingehend, dass die im Vereinsnamen festgeschriebenen Ziele der Toleranz und Zivilcourage inhaltlich stärker thematisiert wurden. Zwar ließ sich ein ursprünglich geplantes „Café Toleranz“ wegen der Corona-Pandemie nicht realisieren. Stattdessen gewannen digitale Formate auch für den Hanauer Verein stärker an Bedeutung, wie zum Beispiel durch Online-Lesungen mit Mo Asumang, Mehmet Daimagüler oder Aladin El-Mafaalani, Empowerment-Workshops gegen Rassismus im Alltag oder die Gedenkveranstaltungen am 19. jedes Monats.

Diese fanden bis Oktober auf dem Hanauer Marktplatz statt, danach pandemiebedingt auch digital. Für sein Engagement wurde der Verein im vergangenen Jahr mit dem Hessischen Integrationspreis ausgezeichnet. Anfang Februar verlieh auch die SPD Hessen-Süd ihren diesjährigen Ehrenamtspreis an den Verein. „Auf den Vorschlag von Christoph Degen (Generalsekretär der hessischen SPD und Vorsitzender der SPD im Main-Kinzig-Kreis, Anm. d. Red.) haben wir dem Institut gestern stellvertretend für die Hunderttausenden gedankt, die sich ehrenamtlich engagieren und unser Land zusammenhalten“, sagte der SPD-Bezirksvorsitzende Kaweh Mansoori zur Begründung.

Videobotschaft zum Jahrestag

Für den Jahrestag des Anschlags am 19. Februar plant der Verein eine Videobotschaft, die über die sozialen Medien verbreitet werden soll. Darin sollen beispielsweise Politiker, Autoren und Kabarettisten zu Wort kommen. Künftig möchte der Verein auch stärker mit der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammenarbeiten. Inhaltlich soll es darum gehen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, aber auch das Vertrauen in Akteure wie die Polizei zu stärken. Yilmaz-Ilkhan sagt: „Kollektives Versagen zu unterstellen, bringt uns nicht weiter. Denn der Täter war Hanauer und die Opfer waren Hanauer.“ 

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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