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Driftet die AfD künftig noch weiter nach rechts?

Während die Berliner AfD nach dem Landesparteitag auf Petry-Linie gebracht ist, droht der Chefin der „Alternative für Deutschland“ im heimischen Sachsen Ungemach von noch weiter rechts.
von Rainer Roeser · 20. Januar 2016
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In Berlin wurden Beatrix von Storch und Georg Pazderski als neue Landessprecher der AfD gewählt. Die Europaabgeordnete von Storch erhielt rund 71 Prozent der Stimmen. Abgewählt wurde der bisherige Landesvorsitzende Günter Brinker. Er hatte erneut für die Parteispitze kandidiert, unterlag aber gegen Pazderski mit 112 zu 163 Stimmen. Zu blass, zu unscheinbar, zu wenig populistisch-lautsprecherisch hatte die Berliner AfD unter Brinker, der manchen als Relikt der Lucke-Ära galt, agiert .

Insbesondere von Storch dürfte dafür sorgen, dass das anders wird. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nannte sie eine „Protestunternehmerin“: „Sie lebt vom Dagegensein. Das Ausmaß des Protests ist ihr Gewinn. Und auf den schaut sie genau.“ Ein stockkonservatives Familienbild, die Klage gegen „Gender-Wahn“, die Ablehnung von Euro und Europäischer Union sind ihre Themen, aktuell – es garantiert Protestgewinn – selbstredend vor allem die Asylpolitik.

Gegenkandidat für Petry?

Ihr neuer Co-Sprecher Pazderski arbeitete in der Frühphase der AfD als deren Bundesgeschäftsführer, wurde aber von Parteichef Bernd Lucke im Frühjahr 2015 gefeuert. Begründet wurde der Rausschmiss vor allem mit den Finanzen – bekannt war aber auch, dass Lucke wegen der engen Kontakte des ehemaligen Berufssoldaten zur parteiinternen Opposition rund um Petry und Alexander Gauland keine besonderen Sympathien für seinen Geschäftsführer hegte.

Im Bundesvorstand, dem beide angehören, gelten von Storch und Pazderski als Unterstützer von Parteichefin Frauke Petry. Sie steht ihrerseits vor einem wichtigen Landesparteitag. Am 27. und 28. Februar trifft sich die sächsische AfD, um einen neuen Vorstand zu wählen. Ob Petry erneut als Landesvorsitzende antreten will, ist nicht bekannt. Sollte sie sich zur Wahl stellen, könnte sie es mit einem Gegenkandidaten zu tun bekommen. Parteiinterne Gegner streuen derzeit die Information, der Landeschef der „Patriotischen Plattform“, der Leipziger Rechtsanwalt Roland Ulbrich, werde sich zur Wahl stellen. Ulbrich, der solche Ambitionen öffentlich bislang nicht dementiert hat, zählt zu den Intimfeinden Petrys. Früh hat er sie zur „Fehlbesetzung“ erklärt.

„Innerparteiliche Solidarität von oben verletzt“

Verschärft hat Ulbrich seine Gangart, seit Petry im Dezember den AfD-Rechtsaußen und Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke aus seinen Parteiämtern feuern wollte. „Wir haben es in der AfD nach Lucke mit dem zweiten Fall zu tun, dass von oben die innerparteiliche Solidarität verletzt wird“, hielt Ulbrich seiner Landeschefin vor. Ihre nervöse Reaktion zeige, „dass sie der Lage nicht mehr gewachsen ist. Das war auch in der Endphase bei Bernd Lucke so“. Ulbrich setzte zum Frontalangriff auf den „schwachen und feigen Charakter“ Petry an: „Es fällt jetzt auseinander, was nicht zusammengehört. Wir werden aus dieser Krise gestärkt hervorgehen. Hoffentlich geht es diesmal schneller als bei Lucke.“ Auch ihr privates und berufliches Leben ließ Ulbrich nicht unbeachtet: „Sie zeichnet sich ja auch nicht durch politische Thesen aus. Aber wir erfahren viel über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, ihr Liebesleben, ihre Rolle als vereidigte Zeugin und ihre Wohnungssuche.“

Dass solch flotte Sprüche Ulbrich an die Schalthebel der Macht in der Sachsen-AfD bringen könnten, ist derzeit nicht zu erwarten. Immerhin kann Petry daran erinnern, dass die Partei unter ihrer Regie im ersten Anlauf und souverän in den Landtag einzog. Und ihre Verteidiger könnten darauf hinweisen, dass es ein beispielloser Affront wäre, würde einer Bundessprecherin – oder auch nur ihrer Politik – im eigenen Land das Vertrauen entzogen. Erst recht so kurz vor wichtigen Wahlen, die im Westen den Durchbruch bringen sollen. Die Diskussionen aber zeigen, wie mutig der äußerste rechte Flügel der Partei mittlerweile geworden ist. Und sie zeigen, wie rasch Petry – ähnlich wie Lucke in seiner Endphase – unter Druck dieses Flügels geraten ist.

Wiederannäherung an Pegida

Auch abgesehen von der Führungsfrage gibt es genug Kontroversen in der sächsischen AfD. Zum Beispiel über Pegida. Die AfD-Rechtsaußen hatten Sympathien bekundet. Petry und die Pegida-Führung hatten auf Abstand geachtet. Am Montagabend nun vollzog Pegida-Stammrednerin Tatjana Festerling bei ihrem Auftritt in Dresden eine Art Wiederannäherung an die AfD. „Raus mit dem Mist aus den Parlamenten!“, rief sie. Mit Blick auf die Landtagswahlen im März forderte sie ihre Anhänger auf: „Leute, die Wahlurnen müssen qualmen.“ Einzige Opposition in Deutschland sei derzeit „die Straße, das sind wir, das ist Pegida und das ist die AfD“.

Ulbrich jubelte angesichts solcher Ansagen: „Das sind hervorragende Aussichten! Die Patriotische Plattform hat schon immer für den Schulterschluss mit Pegida gekämpft.“ Auch Teile der Parteibasis sind erfreut. „Die Leipziger AfD begrüßt den beabsichtigten Schulterschluss“, erklärte Siegbert Droese. Er kommt ebenfalls aus der Riege der „Patriotischen Plattform“. Inzwischen ist „Kamerad Droese“, wie ihn die „Plattform“ nannte, AfD-Chef in Sachsens größter Stadt Leipzig. Sein Kreisverband distanzierte sich mittlerweile von seiner Äußerung: „Eine Annäherung in jeglicher Weise an Pegida/Legida ist nur die persönliche Meinung und Pressemitteilung unseres sehr geschätzten Leipziger AfD Kreisvorsitzenden Siegbert Droese.“ Die Diskussion ist eröffnet.

Dieser Artikel wurde übernommen mit freundlicher Genehmigung von bnr.de

Autor*in
Rainer Roeser

ist freier Autor, beschäftigt sich intensiv mit der „Alternative für Deutschland“ und schreibt unter anderem für den „Blick nach Rechts“.

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