Die rechten Leserattenfänger: Wie es zur Gewalt auf der Frankfurter Buchmesse kam
Bücherwürmer und Leseratten – das ist die Zielgruppe der Frankfurter Buchmesse. Menschen, die es sich gerne mit einem guten Buch gemütlich machen, die Meinungsfreiheit schätzen, das geschriebene Wort für mächtiger halten als das Schwert. Umso erstaunlicher, dass die diesjährige Buchmesse mit Gewaltausbrüchen für Schlagzeilen gesorgt hat.
„Präzise aufs Kinn und mitten ins Gesicht“
So hat ein mutmaßlich rechts motivierter Gewalttäter am Samstagnachmittag vor dem Stand der „Jungen Freiheit“ (JF) den linken Verleger Achim Bergmann angegriffen. Das berichten verschiedene Medien übereinstimmend. Bergmann, der für den „Trikont“-Verlag arbeitet, soll gegen die Rhetorik auf der „JF“-Bühne protestiert haben. Daraufhin habe der Angreifer den 74-jährigen Bergmann mit der Faust niedergeschlagen. „Präzise aufs Kinn und mitten ins Gesicht“, wie Eva Mair-Holmes, Bergmanns Lebensgefährtin, am Freitag auf Facebook berichtete.
Zu Handgreiflichkeiten ist es laut Polizei auch am Stand des neurechten „Antaois“-Verlags gekommen. Verlagschef Götz Kubitschek hatte am Samstagnachmittag den umstrittenen thüringischen AfD-Politiker Björn Höcke zu einer Podiumsdiskussion empfangen. Dagegen regte sich Protest bei Messebesuchern und Ausstellern. Als Martin Sellner, Österreich-Chef der rechtsextremen „Identitären“, auftrat, sei die Stimmung dann gekippt. Die Polizei habe mit dutzenden Beamten einschreiten müssen, um Handgemenge zwischen den Rechten und ihren Gegnern zu verhindern.
Buchmesse-Leitung steht zu ihrer Entscheidung
Mit dieser Art von Gewalt hat die Leitung der Frankfurter Buchmesse sicherlich nicht gerechnet, als sie sich im Vorfeld dazu entschieden hatte, auch rechten Verlegern wie Götz Kubitschek ein Forum zu bieten. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins Deutscher Buchhandel, steht dennoch zu der Entscheidung: „Es war richtig, keine Verlage auszuschließen. Im Sinne der Meinungsfreiheit müssen wir uns auch mit Meinungen auseinandersetzen, die unangenehm oder gar gefährlich sind, solange sie nicht gegen geltende Gesetze verstoßen“, sagte er gegenüber vorwärts.de. „Das gehört zu einer Demokratie und bei dieser klaren Haltung bleiben wir.“
Der „Börsenverein“ hatte als Messeleitung die Neuen Rechten von „Antaois“ zwar zugelassen, aber zugleich öffentlich gegen diese protestiert – mit Schildern und Postkarten gegen Rassismus. „Wir haben auf der Messe ganz deutlich gezeigt, dass wir mit den Werten der Neuen Rechten nicht übereinstimmen und für eine offene und tolerante Gesellschaft stehen“, sagte Skipis. „Beschädigungen oder Gewalt verurteilen wir entschieden und setzen auf Dialog und friedliche Meinungsbekundung.“
„Szene-Event für Rechtsextremisten“
Als Teil dieser Strategie hatten die Organisatoren der Buchmesse einen Stand der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) als Gegengewicht schräg gegenüber von „Antaois“ platziert. Die Stiftung musste für diesen Stand nicht bezahlen. Zu einem Dialog mit Götz Kubitschek und seinen Mitarbeitern sei es nicht gekommen, hieß es bei der AAS.
Zumindest konnten die Mitarbeiter der Stiftung aber in unmittelbarer Nachbarschaft der Rechten ihr Info-Material über Rassismus und Antisemitismus verteilen. Zugleich bekamen sie hautnah mit, wer beim Stand von „Antaois“ aus- und einging. „Mit den rechten Verlagen sind auch eine Reihe von Leuten aus dem harten rechtsextremen Lager auf die Messe gezogen“, sagte AAS-Sprecher Robert Lüdecke am Montag im Gespräch vorwärts.de. „Das wurde zum richtigen Szene-Event für Rechtsextremisten.“
AfD-Mann Höcke fühlt sich wohl auf der Buchmesse
Zu beobachten seien etwa bekannte Neonazis aus dem Frankfurter Umland gewesen. Den AfD-Mann Björn Höcke habe das offensichtlich gut gefallen, erinnerte sich Lüdecke. „Er hat sich gut gelaunt gezeigt und sehr selbstbewusst gegeben als er mit Götz Kubitschek über die Buchmesse gelaufen ist.“ Überrascht habe ihn das nicht, sagte Robert Lüdecke. Bei „Antaois“ sei es am Samstagnachmittag ja auch nur um eins gegangen – um die „große Höcke-Show“.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.