Die NPD nach den Wahlen: Das Ende ist nah
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Das Scheitern der NPD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern hatte sich bereits im Wahlkampf angedeutet. Im Gegensatz zu den Jahren 2006 und 2011, als ihr der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelang, fehlte jeglicher Rückenwind. Auch an der Ostsee grub die Alternative für Deutschland der NPD das Wasser ab, nach Berechnungen von Infratest dimap wechselten rund 20.000 bisherige NPD-Anhänger das Lager.
NPD: Zwang zum „Wahlkampf light“
Die Gefahr hatten die Parteistrategen zwar früh erkannt und sich selbst zur „Alternative zur Alternative“ erklärt – jedoch vergeblich. Hinzu kamen das schwebende Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Wahlkämpfer um den vorbestraften Spitzenkandidaten Udo Pastörs zu einer gewissen Mäßigung zwang und gleichzeitig Wähler abgehalten haben dürfte, sowie handwerkliche Fehler. Weder konnte die NPD beim Thema Flüchtlinge eine sich von der AfD absetzende Linie fahren, noch erzielten ihre Wahlkampfauftritte Erfolg. Die Partei verzettelte sich vielmehr in Kleinstaktionen.
Schlussendlich fuhr die NPD drei Prozent ein, ein Minus von drei Prozentpunkten im Vergleich zu 2011. Genauso hart traf es die Rechtsextremisten eine Woche später bei den niedersächsischen Kommunalwahlen, wo von landesweit acht Kreistagsmandaten nur ein Sitz in Helmstedt übrig blieb (0,1 Prozent). Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin am 18. September überrannte die AfD erneut die NPD, mit 0,6 Prozent verfehlte die Partei die staatliche Parteienteilfinanzierung. Durch den Verlust der bisherigen sechs Sitze in den Bezirksverordnetenversammlung brach der NPD in der Bundeshauptstadt, in der sie ihre Geschäftsstelle unterhält, ihr kommunalpolitisches Fundament weg.
Kein Geld - keine Infrastruktur
Das Ausscheiden der NPD aus dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist ein schwerer Schlag für die Partei. Für ihre „Arbeit“ strichen die Rechtsextremisten pro Jahr rund 1,3 Millionen Euro ein. Den fünf bisherigen Abgeordneten steht bis zu drei Jahren ein Übergangsgeld zu, das in den letzten zwei Jahren noch die Hälfte der bisherigen Diäten beträgt, also ca. 2.600 Euro im Monat. Viele der bisherigen Fraktionsangestellten und Wahlkreismitarbeiter hingegen dürften fortan nicht mehr ihren kompletten Tagesablauf ihrer menschenverachtenden Politik widmen, sondern müssen regulären Beschäftigungen nachgehen.
Die Aktivitäten der NPD könnten hiervon in Mitleidenschaft gezogen werden und zurückgehen. Ebenso fällt der bevorzugte Zugang zu Informationen weg, den die NPD-Fraktion durch „Kleine Anfragen“ rege nutzte. Schließlich könnte die rechtsextremistische Infrastruktur an der Ostsee von der NPD-Niederlage direkt betroffen sein. Die Parlamentarier unterhielten Büros im Grevesmühlener Thinghaus, in Anklam – im gleichen Gebäude sitzt auch der Landesverband – oder in Lübtheen. Über die vom Steuerzahler finanzierten Mieten steuerten Pastörs, Stefan Köster oder Michael Andrejewski ihren Beitrag zur rechtsextremistischen Erlebniswelt bei.
NPD-Verbotsverfahren: Schwäche als Chance
Paradoxerweise könnte die aktuelle Schwächephase der NPD im laufenden Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in die Hände spielen. Denn ein politischer Faktor auf größere Bühne ist diese Partei längst nicht mehr. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebietet, nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Die angeschlagene Partei könnte auf der Zielgeraden des Prozesses – Beobachter erwarten ein Urteil in den nächsten Wochen – den Kopf aus der Schlinge ziehen. Karlsruhe könnte aufgrund der politischen Bedeutungslosigkeit durchaus von einem Verbot absehen.
Ankündigungen verschiedener Funktionäre deuten derweil auf eine stärkere Hinwendung zu außerparlamentarischen Aktivitäten hin. Stefan Köster, Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, sprach nach der Wahl von einer „Nationalen Außerparlamentarischen Opposition“ (NAPO). Der mancherorts bröckelnde Schulterschluss mit den Freien Kameradschaften steht im Nordosten nicht zur Debatte. Im Gegenteil: Beobachter gehen davon aus, dass die Zusammenarbeit bestehen bleibt. Der rheinland-pfälzische Landeschef Markus Walter versucht derweil eine Debatte über einen Antrittsverzicht bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr anzustoßen. „Die Folgen eines möglichen 0,1 Prozent-Ergebnisses, aber auch die möglichen Folgen eines etwaigen Nichtantrittes sollten analysiert werden“, schreibt er bei Facebook.
NPD sieht sich als Alternative zum System
Pastörs, noch immer der bekannteste NPD-Vertreter, schwört seine Truppen auf die weitere Konfrontation ein: „Es gilt nunmehr, jetzt erst recht jenen volkszersetzenden Kräften erneut den Kampf anzusagen, die in Politik, Wirtschaft, Bildungs- und Kulturbetrieb dabei sind, das Gesicht unserer Nation faktisch zu verändern.“
Die NPD blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück und ist gewohnt, mit Rückschlägen umzugehen. 1980 hielt sie bundesweit noch zehn kommunale Mandate, heute sind es gut 350. Die Partei versteht sich selbst als zähe „Kampfgemeinschaft“, als „Weltanschauungspartei“, die über die Jahre – gestützt auf einen kleinen Kreis fanatischer Anhänger – ihren Apparat am Leben halten konnte. Ihr geht es nicht darum, eine Alternative im System, sondern eine Alternative zum System zu sein. Die Mitglieder sind zumeist bis in die Haarspitzen motivierte Überzeugungstäter, die „den Kampf um Deutschland“ 24 Stunden am Tag ausfechten und persönliche Angelegenheiten zugunsten der „Sache“ zurückstellen. Genau deshalb darf sie niemals unterschätzt werden.