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Die AfD nach dem Parteitag: Die Radikalisierung geht weiter

Der Kölner Parteitag markiert den Zwischenstand einer kontinuierlichen Rechtsdrift der AfD. Den Kurs geben zunehmend die Nationalkonservativen und die Völkischen in der Partei vor.
von Rainer Roeser · 24. April 2017
AfD Köln
AfD Köln

Man kann die Geschichte der AfD als eine Geschichte einer stetigen Radikalisierung lesen. Aus der Anti-Euro-Partei der Gründungsphase ist eine antieuropäische Partei geworden. Aus einer Partei, die zunächst vor allem ökonomisch den Vorrang deutscher Interessen in Europa predigte, wurde eine Partei, in der Nationalismus inzwischen sämtliche Politikfelder durchzieht. Aus der Professorenpartei der Anfangszeiten wurde eine Partei, deren Spitzenpersonal durchgehend rechtspopulistisch agiert. Der Kölner Parteitag markiert den Zwischenstand einer kontinuierlichen Rechtsdrift.

An den „roten Linien“ gescheitert

Zwar gibt es deutliche Nuancen. Als Hüter des Marktradikalen treten einige auf; sozialpopulistisch versuchen sich andere; ein christlich verbrämtes fundamentalistisches Weltbild leitet eine dritte Gruppe; wieder andere pflegen einen Nationalkonservatismus, der an frühere Jahrhunderte erinnert; zum Völkischen zieht es eine fünfte Gruppe. Doch es überwiegt eine Gemeinsamkeit: Die AfD, die in Umfragen bei rund zehn Prozent steht, suggeriert und phantasiert, sie sei das „Volk“ – zumindest dessen einzige legitime Vertreterin im Kampf gegen „Altparteien“ und „Eliten“.

Der erste Radikalisierungsschub spülte Frauke Petry an die Spitze der AfD. Doch inzwischen droht sie überrollt zu werden von jenen Kräften, derer sie sich bediente, um die Nummer eins in der Partei zu werden. Von Landesparteitag zu Landesparteitag war in den letzten Monaten zu beobachten, wie rasant sich die AfD von ihr emanzipierte. Petry startete einen Versuch, an dem sich zwei Jahren zuvor auch ihr Vorgänger Bernd Lucke überhoben hatte: Sie wollte der AfD „rote Linien“ verordnen, innerhalb derer sie zu diskutieren habe. Lucke scheiterte damit und nun auch Petry.

Im beinharten Machtkampf gegen Lucke durchgesetzt

Ihre Niederlage war folgerichtig. Wo die wirklich gravierende Differenzen zu finden sind, konnte sie ja auch nicht wirklich klarmachen. Hier die „Realpolitikerin“ Petry, dort die „Fundamentaloppositionellen“? Glaubwürdig wirken solche Frontkonstruktionen nicht, wenn Petry zugleich das „Völkische“ rehabilitieren will und sich gemeinsam mit Marine Le Pen und Geert Wilders feiern lässt.

In Köln beschloss die AfD mit 92,5 Prozent der Stimmen ein Programm zur Bundestagswahl. Dass Petry fundamentale Bedenken gegen dieses Dokument der Radikalisierung haben könnte war nicht erkennbar – im Gegenteil. Und so wirkt die Petry'sche Aufteilung der Partei in „Realos“ und „Fundis“ letztlich reichlich gekünstelt. Bei vielen AfDlern blieb nur der Eindruck, dass es ihrer Spitzenfrau vor allem um ihre persönliche Macht geht. Am Ende hatte sie in Köln nur noch ein Drittel der Delegierten hinter sich. Neben den anderen auf der Bühne sitzenden Vorstandsmitgliedern wirkte sie wie ein Fremdkörper.

Meuthen klingt wie Gauland

Als Bernd Lucke vor vier Jahren an die Spitze der AfD gewählt wurde, stand ihm Ko-Sprecherin Frauke Petry zur Seite – vor allem als schmückendes Beiwerk. So war es jedenfalls anfangs geplant. Doch Petry setzte sich in einem beinharten Machtkampf durch. Als sie Lucke mit Erfolg von der Spitze und aus der Partei verdrängt hatte, rückte Jörg Meuthen an ihre Seite. Er sollte das „liberale“ Feigenblatt für eine nach rechts gerückte Partei abgeben. Doch so, wie Lucke einst Petry unterschätzte, so irrte sich Petry in Meuthen.

Der Baden-Württemberger, ständiger Zurücksetzungen überdrüssig, bandelte mit dem Nationalkonservativen Alexander Gauland und den Völkischen um Björn Höcke an. Irgendwann klang er auch wie Gauland. Am Samstagnachmittag in Köln war es wieder zu erleben. Wo Petry nur höflichen Beifall einheimst und die anfänglichen „Frauke, Frauke!“-Rufe rasch enden, erntet Meuthen stehende Ovationen – und das umso heftiger, je energischer er den Radikalen gab.

„Freiheitlich“ in der AfD meint nicht gesellschaftspolitische Liberalität

Seine Klage, dass er in seiner Heimatstadt nur noch „vereinzelt Deutsche“ sehe, seine Warnung, Deutsche würden zur Minderheit im eigenen Land, sein Aufruf, man müsse Deutschland als „Land unserer Großeltern und Eltern“ wieder „zurückerobern“: Solche Töne will die AfD-Basis hören. Sie verlangt auch nicht nach einer Überlegung, wann und wie die AfD koalitionsfähig werden könnte, sondern nach schroffer Abgrenzung von den verhassten „Altparteien“. Meuthen nennt in Köln einige Berliner Spitzenpolitiker und fährt fort: „Mit solchen Figuren werden wir keine Koalition eingehen. Nicht heute, nicht morgen, niemals.“

Der Jubel für Meuthen und der verhaltene Beifall für sie selbst: Es ist eine von mehreren Demütigungen, die Petry in Köln erlebt. Ihr Antrag für einen „Realo“-Kurs? Kommt gar nicht erst auf die Tagesordnung. Die Partei hält es nicht für nötig, sich mit dem zu befassen, was die AfD-Chefin für überlebenswichtig hält. Ihr Antrag gegen „rassistische, antisemitische, völkische und nationalistische Ideologien“? Kommt ebenfalls kommentarlos nicht auf die Tagesordnung. Der Verzicht auf ein Spitzenteam? Abgelehnt. Eine Vertagung der Entscheidung über die Spitzenleute auf eine spätere Mitgliederbefragung? Abgelehnt.

Petrys Gesicht wird für den Wahlkampf gebraucht

Feiern lassen können sich beim Parteitag Alexander Gauland und Alice Weidel. Knapp 68 Prozent der 540 Delegierten stimmen für das Duo, das ihre Partei nun in den Bundestagswahlkampf führen soll. 28 Prozent votieren gegen die beiden. Dem „freiheitlich-konservativen Arm der AfD“ rechnet sich die Baden-Württembergerin zu – wobei es stets ein grober Fehler wäre, das „Freiheitliche“ der Partei mit gesellschaftspolitischer Liberalität zu verwechseln. Weidel verknüpft in ihrer Person Marktradikalität mit scharfen antiislamischen Tönen. Manches klingt noch ungelenk und aufgesetzt, doch sie weiß, was ihr Publikum hören will. „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte!“, ruft sie in Köln ins Mikrofon. Der Saal jubelt.

Andere Vorsitzende als Petry hätten aus dem Desaster den Schluss gezogen, dass es Zeit für einen Rücktritt wäre. Gewundert hätten sich über einen Abgang wohl die wenigsten im Maritim-Hotel. Doch Petry bleibt und will sich „bis zum Herbst ansehen, wie sich das weiter entwickelt“. Die AfD in den Augen ihrer Vorsitzenden: eine Partei auf Bewährung. Ihre Gegner ersparten ihr die finale Demontage. Fast mitleidig sagt Gauland nach seiner Wahl am Sonntag: „Liebe Frauke Petry, ich weiß, dass Sie gestern einen schwierigen Tag hatten.“ Und er fährt fort, als müsse er sie wieder aufbauen: „Wir brauchen Sie in der Partei und für den Wahlkampf.“

Der Satz stimmt nur teilweise. Für den Wahlkampf wird ihr Gesicht tatsächlich noch gebraucht – gilt es doch so etwas wie Eintracht zu vermitteln. In der Partei wird sie freilich nicht mehr zwingend benötigt. Die AfD hat in Köln gezeigt, dass sie sehr wohl ohne ihre Vorsitzende kann.

Autor*in
Rainer Roeser

ist freier Autor, beschäftigt sich intensiv mit der „Alternative für Deutschland“ und schreibt unter anderem für den „Blick nach Rechts“.

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