AfD-Russlandkongress: Lob für Horst Mahler und die Waffen-SS
Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Querfront-Magazins „Compact“, kommt nicht weit mit seiner Rede. Keine zwei Minuten nachdem er auf die Bühne des AfD-„Russlandkongresses“ in Magdeburg tritt, muss er seinen Vortrag unterbrechen. Der Grund: Die Anwesenden sind so begeistert von Elsässers Worten, dass sie ihn gar nicht erst weitersprechen lassen. „Merkel muss weg! Merkel muss weg!“, skandieren die meist älteren Herren unter rhythmischem Klatschen. Applaus gibt es an diesem Samstag in Magdeburg an vielen Stellen – selbst dann, als der Journalist Jan von Flocken auf dem Podium steht und der Waffen-SS seinen Respekt zollt.
Wie im Hinterzimmer eines Neonazi-Treffs
Zunächst genießt aber Jürgen Elsässer seinen Applaus: „Eine Regierung, die das Volk austauscht – da muss das Volk die Regierung austauschen“, sagt er. Wie auf Bestellung stimmen die Zuhörer sofort die Rücktrittsforderung an die Bundeskanzlerin an. Zuvor hatte Elsässer bereits angedeutet, wohin die Reise gehen soll in seiner Rede: „Dieses Regime tauscht uns als Volk aus gegen Fremde, die mit Deutschland und Europa nichts zu tun haben, und degradiert Deutschland zur Militärkolonie und zum Frontstaat der Amerikaner.“
Es ist der übliche Rassismus gepaart mit abwegigen historischen Vergleichen und dem Hass auf alles Amerikanische. Eine Rede wie sie seit Jahrzehnten in den Hinterzimmern irgendwelcher Neonazi-Treffs weit draußen in der Provinz gehalten wird. Zwischen Bierdunst, Bratenfett und Zigarettenrauch.
Katholischer „Kadavergehorsam“?
Der „Russlandkongress“ findet allerdings nicht im Verborgenen statt. Ganz im Gegenteil: Die AfD-Fraktion von Sachsen-Anhalt hat dazu die „halber85“ mitten in Magdeburg gemietet, ein helles Gebäude, schick renoviert. „Die Halle für alle, aber nicht für jeden Zweck“, lautet der Werbespruch des Betreibers. Dass eine Landtagsfraktion hier eine Tagung ausrichtet, erscheint nicht ungewöhnlich. Dass dann dort wie selbstverständlich zum Sturz der Bundesregierung aufgerufen wird, schon eher. Und auch dass die Generäle der Waffen-SS hier kräftigen Applaus ernten, passt nicht so ganz zum Ambiente.
Das Lob für die SS kommt von Jan von Flocken, Autor für „Compact“ und die „Junge Freiheit“. In seinem Vortrag spricht er sich gegen den „Kadavergehorsam“ aus, der angeblich aus dem „süddeutsch-katholischen Kulturkreis“ stamme und eines deutschen Soldaten unwürdig sei. Für selbstständig denkende Offiziere gebe es im deutschen Militär genug Beispiele, zählt von Flocken auf: „Über das preußische Heer, das Reichsheer bis hinein in die heute verfemte, viel geschmähte Wehrmacht, wo auch viel mehr selbstständige Köpfe saßen – bis hin zu Generalen der Waffen-SS“. Der Satz ist kaum zu Ende gesprochen, schon klatscht das Publikum begeistert.
Holocaustleugnung: für die AfD nur eine „Meinung“
„Und für Sie, wenn Sie das vielleicht nicht wissen“, spricht Jan von Flocken an anderer Stelle sein Publikum an, „es gibt auch in Deutschland politische Gefangene – und nicht nur Horst Mahler“. Wieder gibt es Applaus, grimmige Gesichter stimmen dem Redner per Kopfnicken zu. Es gebe in der Bundesrepublik ein Strafrecht, fährt von Flocken fort, „das Meinungen unter Generalverdacht stellt“. Den Holocaust zu leugnen, so wie es der Neonazi Horst Mahler tut – für die anwesenden AfD-Politiker scheint das nicht mehr als eine von vielen akzeptablen „Meinungen“ zu sein.
Dass die AfD in Sachsen-Anhalt selbst für rechtspopulistische Verhältnisse ziemlich radikal ist, ist bekannt. Und dennoch wird es viele befremden, dass eine demokratische legitimierte Landtagsfraktion mit Staatsgeldern eine Veranstaltung zum Thema „Russland“ abhält – und dort dann alle Register des Rechtsextremismus gezogen werden. So lobt Jürgen Elsässer die vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären“ als „Blüte des deutschen Volkes“ – und erntet Zustimmung statt Widerspruch. Auch AfD-Fraktionschef André Poggenburg erhält sofort Applaus als er auf die Frage eines Zuhörers nach der angeblich fehlenden Unabhängigkeit der Bundesrepublik verspricht: „Die AfD wird auch diese Grundsatzdebatte nach einem echten souveränen Deutschland am richtigen Tag aufmachen.“
Es klingt wie eine Drohung.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.