AfD, NPD und Co: Was tun gegen rassistische Wahlwerbung?
Ein höchstrichterlicher „Maulkorb“ – damit muss rechnen, wer in Deutschland öffentlich Neonazis kritisiert. Das belegt der Fall der SPD-Politikerin Dietlind Grabe-Bolz: Die Gießener Oberbürgermeisterin hatte im Jahr 2013 die Wahlwerbung der rechtsextremen NPD als „volksverhetzend“ bezeichnet. Gemeint waren Plakate mit dem Spruch „Geld für Oma statt für Sinti und Roma“. Der hessische Verwaltungsgerichtshof befand jedoch, Grabe-Bolz dürfe solche Nazi-Werbung nicht öffentlich kritisieren. Als Amtsträgerin habe sie sich aus dem Wahlkampf herauszuhalten.
„Mehr Sensibilität von den Gerichten“
Vermutlich wird die NPD auch in diesem Jahr wieder auf provokante Wahlwerbung setzen. Allerdings wird die Partei bei der kommenden Bundestagswahl wohl keine große Rolle spielen. Für umso mehr Aufmerksamkeit könnten dafür die Rechtspopulisten der AfD sorgen. „Das wird uns im kommenden Wahlkampf sehr stark beschäftigen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby am Dienstag bei einer Veranstaltung des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin.
Nicht auszuschließen also, dass sich in den kommenden Monaten wieder deutsche Gerichte mit rassistischer Wahlwerbung befassen müssen. Ob den Urhebern der rechten Hetze dann die Grenzen der Meinungsfreiheit aufgezeigt werden, ist jedoch nicht sicher. „Ich würde mir schon mehr Sensibilität von den Gerichten wünschen“, sagte Dietlind Grabe-Bolz.
Internationales Recht gegen Rassismus
Auch Herbert Heuß, wissenschaftlicher Leiter beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, kritisierte die deutsche Justiz. Er verwies darauf, dass sich die Bundesrepublik in einer UN-Konvention bereits 1969 verpflichtet hat, konsequent gegen Rassismus vorzugehen. Nur sei dies bei deutschen Richtern kaum bekannt. „Die Gerichte müssen einfach wissen, dass es diese internationalen Verpflichtungen gibt“, sagte Heuß. Karamba Diaby erinnerte daran, dass auch die Europäische Menschenrechtskonvention rassistische Werbung verbiete.
Trotzdem gebe es nicht nur in der deutschen Justiz, sondern auch bei der Polizei, in Verwaltungsbehörden und Schulen in Sachen Rassismus und Antisemitismus eine Menge Nachholbedarf, sagte Marina Chernivsky von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Auch in Wissenschaft und Politik kämen die „Perspektiven der Betroffenen“ viel zu kurz, lautete ihre Kritik. Sie will die Mehrheitgesellschaft für das Thema Rassismus sensibilisieren. Denn zu häufig werde Diskriminierung als Kleinigkeit abgetan. Der Schutz vor rassistischen Anfeindungen sei jedoch eine „Frage der Menschenrechte“ und daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – also auch ein Problem der Mitte.
Union bestätigt rechte Hetze
Der Kampf gegen rassistische Stimmungsmache im Wahlkampf gehe alle an, betonte auch Diaby. Jede demokratische Partei müsse sich bei diesem Thema deutlich vom rechten Rand absetzen. Allerdings fehle dazu vor allem bei den Konservativen häufig die Bereitschaft. So redeten CDU und CSU den Rechtspopulisten immer wieder nach dem Mund: zum Beispiel, wenn die Konservativen eine „Obergrenze für Flüchtlinge“ forderten. „Dann geben sie den Rechtspopulisten eine Vorlage, dass sie sich bestätigt fühlen“, sagte Diaby.
Herbert Heuß sieht das genauso. Mit ihrer rechten Rhetorik produziere vor allem die CSU „genau die Bilder, die auf der rechtsrechtspopulistischen Seite zu finden sind“.
Mehr als nur Sonntagsreden
Die beiden SPD-Politiker Diaby und Grabe-Bolz fordern vom Bund mehr Unterstützung für Kommunen, in denen Rechtsradikale rassistische Wahlwerbung verteilen wollen. Die Gießener Oberbürgermeisterin klagte über fehlende Investitionen in Bildung und Integration. Wenn Bund und Länder mehr Geld in die Kommunen steckten, sei das „der beste Schutz vor Rechtspopulismus“.
Aus diesem Grund habe die Bundesregierung auf Druck der SPD in dieser Legislaturperiode die staatlichen Mittel für die Förderung der Demokratie erhöht, sagte Diaby. Zum Beispiel für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ Wer sich in den Kommunen gegen Rassismus einsetze, müsse von der Politik mehr Hilfe erwarten können, so Diaby. „Die brauchen nicht nur Sonntagserklärungen, sondern ganz konkrete Unterstützung.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.