AfD nach Magdeburg: „Der rechtsextreme Teil hat sich durchgesetzt.“
IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Sie haben erst den Parteitag und dann die Europadelegiertenkonferenz der AfD am Wochenende vor Ort in Magdeburg verfolgt. Auf welchem Kurs ist die Partei nach diesen drei Tagen?
Programmatisch verfolgt sie weiter ihren Kurs, die Europäische Union in ihrer derzeitigen Form abzulehnen. Sie hält die EU für unreformierbar und will ein „Europa der Vaterländer“ schaffen, was für sie vor allem bedeutet, dass Kompetenzen und Ressourcen auf den Nationalstaat übertragen werden sollen. Die früheren Konflikte zwischen den Linien in der Partei scheinen entschieden zu sein, zu Gunsten der Extremen unter Björn Höcke. Der rechtsextreme Teil hat sich durchgesetzt. Die anderen ordnen sich der Macht des „Flügels“ unter und führen gegenwärtig keine Grundsatzdebatten mehr.
Viele sehen in Björn Höcke ohnehin den heimlichen AfD-Vorsitzenden. Sie auch?
Björn Höcke und seine Leute sind formidabel vernetzt – in der AfD und darüber hinaus. Sie geben den Ton vor, handeln schnell und nehmen für sich in Anspruch, dass sie die neue DNA der AfD verkörpern. Wobei die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den verschiedenen Teilen der Partei, die in der Vergangenheit fast kulturkämpferisch ausgefochten wurden, weiter bestehen. Die anderen gehen also nicht raus, sondern warten auf ihre Chancen.
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hat in den Reden „rechtsextremistische Verschwörungstheorien“ erkannt. Der Kandidat auf Platz zwei der AfD-Europaliste, Petr Bystron, hat gesagt, aus Europa komme „das Gift“. Ist das das Europabild der Mehrheit in der AfD?
Nein, diesen Eindruck habe ich nicht. Allerdings sind solche Ausdrücke für die AfD gut popularisierbar, da sie eine nationalistische Partei ist, die um die Souveränität des Nationalstaats ringt und versucht, alles, was sich mit der EU verbindet, in ein negatives Licht zu rücken. Gleichzeitig gibt es viele in der AfD, die wissen, dass die Europäische Union eine Realität ist und eine wichtige Instanz, um die Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch die Wirtschaftspolitik weiterzuentwickeln.
Vor diesem Hintergrund hat der Parteitag am Freitag auch darüber abgestimmt, ob die AfD der Europapartei „Identität und Demokratie“ beitreten soll. Am Ende hat sich der Vorstand mit seinem Antrag für den Beitritt klar durchgesetzt. Wie ist das zu bewerten?
Ziel des Bundesvorstands ist es, über die Mitgliedschaft an EU-Gelder zu kommen. Das war der Hauptantrieb, der Partei „Identität und Demokratie“ beizutreten. Ein weiteres Ziel ist die bessere Vernetzung mit Parteien in anderen Ländern, um die EU zu unterminieren. Die Gegner des Beitritts haben damit argumentiert, dass die AfD doch keinen Kontakt zu europäischen Institutionen wolle. Sie fürchten, dass die Mitgliedschaft in der europäischen Partei dazu führen könnte, dass die AfD ihre klare Linie verlässt und Stück für Stück die EU-Realität anerkennt, wie dies die meisten anderen rechten Parteien schon gemacht hätten.
Die Zustimmung zum Beitritt ist sicher auch eine Anerkennung der Tatsache, dass mit den hohen Umfragewerten der AfD auch Erwartungen verbunden sind, dass die AfD künftig mehr ist als nur eine reine Protestpartei. Aktuell ist die AfD ja nicht nur in Deutschland nicht anschlussfähig an andere Parteien. Auch zu den rechtsextremen Parteien in der Europa besteht eine erhebliche Kluft. Nur die wenigsten vertreten eine grundlegende Ablehnung gegenüber der EU und ihrem Programm wie die AfD.
Welchen Einfluss könnte die Mitgliedschaft in der „Identität und Demokratie“ auf den künftigen Kurs der AfD haben?
Das ist im Moment noch schwer vorherzusagen. Es könnte aber sein, dass sich die AfD auf einen EU-freundlicheren Kurs begibt. Dafür spricht, dass Björn Höcke, der die EU ja rundweg ablehnt, am Freitag gar nicht auf dem Parteitag gewesen ist. So musste er sich in der Frage nicht öffentlich positionieren.
Mit Maximilian Krah wurde aber ein Vertrauter Höckes zum Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl gewählt. Wofür steht er?
Maximilian Krah ist ein rabulistischer Antieuropäer reinsten Wassers. Er ist ein Rechtsextremer, der alles dafür tun wird, die strikte Ablehnung der EU weiter voranzutreiben. Das lässt sich aus seinen Äußerungen in der Vergangenheit, aber auch in Magdeburg ableiten. Darüber hinaus hat er enge Verbindungen zu russischen und chinesischen Kräften, die stark an der Unterminierung der EU beteiligt sind. Seine Spitzenkandidatur ist für die AfD durchaus ein heikles Unterfangen.
Inwiefern?
In der Partei gibt es erhebliche Vorbehalte gegen ihn. Es bedurfte schon der Intervention von Höcke und Parteichef Chrupalla, um diese Widerstände zu brechen. Maximilian Krah ist nicht nur von anderen nicht zu kontrollieren, sondern er scheint sich selbst auch nicht im Griff zu haben. Also so etwas wie die tickende Zeitbombe der AfD. Es kann aber auch sein, dass gerade er mit seiner Biographie und den Vorbehalten, die gegen ihn vorgebracht werden, sich zumindest temporär an die anderen rechten EU-Parteien anpasst. Da ist vieles unberechenbar. Zumal er ja auch in Netzstrukturen eingebunden ist, deren Taktik sich durchaus ändern kann.
Am kommenden Wochenende wird die Europadelegiertenkonferenz fortgesetzt. Dann soll auch das Programm der AfD für die Europawahl beschlossen werden. Was erwarten Sie da?
Ich glaube, dass über das Programm kaum noch diskutiert werden wird. Im Vorfeld gab es ja etwas Aufregung über den Passus, dass die AfD eine Auflösung der EU anstrebe, was der Vorstand als redaktionelle Versehen bezeichnet hat. Das nehme ich der Partei aber nicht ab, denn wenn man etwas Neues gründen will, muss man das Alte ja erstmal auflösen. Außerdem hat die Partei schon auf ihrem Parteitag in Dresden 2021 die Auflösung der EU ins Spiel gebracht. Hinzu kommt jetzt eine Radikalisierung des Personals. Auf der Europaliste stehen fast ausschließlich rabulistische Rechtsextremisten. Also Magedburg steht für programmatische Kontinuität, soweit aus den vorliegenden Texten und Äußerungen zu entnehmen ist, und für personelle Radikalisierung. Und trotzdem ist vieles noch offen.
Was bedeutet diese Entwicklung für die anderen Parteien in Deutschland?
Dass sie die Finger von jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD lassen müssen. Angesichts dieser personellen und programmatischen Zuspitzungen verbietet sich jegliche Form der Kooperation von selbst – auch und gerade auf kommunaler Ebene. Selbst wenn es in manchen Fällen schwieriger sein sollte und es in der Sache Übereinstimmungen gibt, dürfen Vertreter demokratischer Parteien nicht mit der AfD stimmen, sondern sollten im Zweifel lieber einen eigenen Antrag mit eigener Begründung einbringen.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.